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Montag, 12. September 2016

Erinnerst du dich?

Natürlich erinnere ich mich: Es war Fototermin im Kindergarten. Freunde von uns hatten ihren Nachmittagstermin so gelegt wie wir - wir Mütter fuhren gemeinsam hin - unsere Männer kochten derweil Kaffee und schalteten dabei den Fernseher ein. Als wir nach dem Termin aus dem Kiga kamen und das Auto anschalteten war es das erste was wir hörten: Die Unterbrechung des Programms weil die Eilmeldung gesendet wurde. Keine 10 minuten erfolgte die nächste und berichtete vom nächsten Flugzeug. Wir fuhren noch beim Bäcker vorbei und besorgten Kuchen wie abgemacht. Butterkuchen, jenen den wir auch Freud und Leid Kuchen nennen, weil er traditionell auf Trauerfeiern nach Beerdigungen aber auch an Polterabenden vor Hochzeiten bzw. vor Silber- und Goldhochzeiten oder beim Richtfest gereicht wird.

Unsere Männer empfingen uns dann zu Hause bereits : "Amerika ist angegriffen worden!" Atemlos schauten und lauschten wir....

Der Erntedankgottesdienst des Kindergartens fand ganz unter diesen Ereignissen statt....es war der Wunsch der Erzieherinnen.... denn alle Kinder berichteten davon oder spielten es mit Bausteinen nach. Viele hatten seitdem auch  Angst wenn sie ein Flugzeug sahen... .
Das sorgte für heftige Empörungder der Eltern....sie hielten es nicht für ein geeignetes Thema die Kinder mit solch einer brutalen Wirklichkeit zu konfrontieren. Am meisten empörten sich jene Eltern die selbst nicht anwesend gewesen waren oder deren Kinder überwiegend davon sprachrn oder es nachspielten....
die Empörung und Aufregung waren jedoch unberechtigt. Man hatte im Gottesdienst versucht die Angst zu lindern.
Der Pastor erzählte auf wundersam einfühlender Weise, dass es vollkommen normal sei und auch er als Erwachsener oft Angst hätte und sich dazu auch oft schon die Bettdecke über den Kopf gezogen hätte. Wunderschön erklärte er den Kindern, dass es half darüber zu sprechen, dass sie sich zu jeder Zeit mit ihren Problemen, Sorgen und Ängsten an Gott wenden und ihn um Hilfe bitten könnten. Aber auch, dass sie sich nicht zu fürchten bräuchten, da sie als Kinder unter dem ganz besonderem Schutz Gottes stehen und er ihnen stets zur Hilfe eilen würde.
Der angedachte Ausflug zum 120km entfernten Flughafen in Bremen der Vorschulkinder entfiel im April darum.

Es war aber auch der Punkt an dem Amerika begann seinen Glanz und sein Ansehen un der Welt zu verlieren. Starker Antiamerikanismus in der Gesellschaft zu keimen begann...man nur wenig später vom "alten Europa" sprach und Deutschland, Russland und Frankreich der Achse des Bösen zugerechnet wurde. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika sich abkühlte, Muslime und Ausländer im allgemeinen nicht nur verstärkt argwöhnisch beäugt wurden, sondern vielfach auch ausgegrenzt und vermehrt beobachtet wurden.
Freunde wurden zu Feinde, Verbündete zu Gegner.

Mit dem 11. September kam die Angst in die Welt zurück...und aus ihm entstanden erneut Hass und Antipathien. Die Rassisten, Rechtspopulisten und Nationalsozialisten weltweit aber auch die selbsternannten Reichsbürger die in der alten Zeit verharrten,  konnten sich endlich wieder frei zu erkennen geben. Sie, wie auch ihre oft kruden und obskuren Theorien als auch Ideologien, bahnten sich ihren Weg nach oben und fanden vermehrt Anerkennung und Zustimmung. Der Antisemitismus entflammte erneut, wenn er sich auch jetzt in Gestalt und im Namen des Antizionismus salonfähig für jedermann gemacht wurde. Auf diese Art verbrüderte man Atheisten, Muslime und Christen miteinander gegen die Juden. Auf anderer Seite sprach man dann von der Islamisierung des Abendlandes wozu sich wiederum Atheisten, Christen und Juden gegrn Muslime verbrüderten. An anderer Stelle erstarkte der Widerstand der Atheisten, Muslime und Juden gegen die vermeintlich Christianisierung der Welt.

Die verrücktesten Verschwörungstheorien waren seitdem wieder im Trend, die harmloseste ist unter ihnen ist dabei wohl die Bielefeld-Verschwörung und natürlich die; dass Reptilien wie auch Katzen die Weltherrschaft an sich zu reißen begannen. Die Menschen begannen sie unüberprüft zu glauben und als Wahrheit anzuerkennen.

Die absonderlichsten Gerüchte und Verleumdungen kamen auf, viele von ihnen hatten die Nazis schon benutzt oder im Stürmer über diese angeblichen Greueltaten berichtet. Religionen wurden weltweit wieder wie einst gegeneinander aufgehetzt. Dieses auf beiden Seiten gleichermaßen. Das gleiche galt für Nationen und in den Nationen die jeweiligen Bevölkerungsgruppen. Jeder zeigte mit dem Finger auf den anderen, doch niemand war sich anscheinend seines Tuns bewußt. Das Motto schien seit dem zu lauten "Jeder gegen jeden und Gott gegen alle"

Mit dem 11. September begann auch das Vertrauen zueinander, ineinander und in das Gute in der Welt zu verschwinden. Freunde beäugten sich mißtrauisch, der stets abgelehnte Überwachungsstaat wurde wieder hoffähig gemacht. Parteien forderten immer häufiger die Überwachung der Bevölkerung, Datenschützer rief es zu Protesten auf, nach 15 Jahren verschand der Widerstand zusehends und große Teile der Bevölkerung befürworten die Videoüberwachung in der Öffentlichkeit und täglich mehr.
Aber auch die Überwachung von anderen Staaten und das ausspionieren der gleichen scheint heute normal zu sein.  Es geht vordergründig darum, mögliche Gefahren und Risiken von vornherein auszuschalten. Die soziale Kontrolle der Bürger untereinander begann zu sprießen und Menschen die vormals als bösartige Lästerer und Denunzianten abgestraft und ausgegrenzt wurden, werden heute hofiert. Stets aber aus der puren Angst des Einzelnen heraus, der Angst selbst zum Opfer der gleichen zu werden oder durch Unwissenheit am Ende in Gefahr zu sein.

Seit dem 11. September sorgten herrenlose Koffer auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen für Bestürzung und lösten nicht selten einen Großeinsatz der Polizei aus. An jeder Ecke werden seit dem Terroristen vermutet und nicht wenige unbescholtene Bürger gerieten weltweit seither unter Verdacht einer  terroristischen Organisation oder Gruppierung anzugehören. Aber auch ganze Länder wurden unter diesem Verdacht überfallen und besetzt, wie auch Regierungen gestürzt. Aus diesem heraus bildeten sich dann neue Krisenherde und Menschen weltweit begannen sich gegen die Unterdrückung zu wehren. Hassprediger erschienen weltweit vermehrt auf den Bildflächen, Menschen rebellierten,  taten sich zusammen um sich zu wehren, egal in welcher Nation. Der Fundamentalismus und Fanatismus fanden in weltweit allen Religionen und Politik wieder ihren festen Platz. Man begann wieder in gut und böse einzuteilen, in der Überzeugung selbst dem Guten anzugehören und im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein.

Der 11. September ist für mich der Tag an dem die Welt vollkommen außer Kontrolle geriet, an dem Angst wieder einmal zu regieren begann, an dem die Kontrolle begann, an dem aus Menschen wieder Tiere wurden, an dem die bösen alten Geister wieder erwachten und erstarkten, an dem Wut und Hass begannen die Liebe zu verdrängen, an dem die Freiheit zu schwinden begann, an dem die Welt kleiner wurde, an dem Nationalsozialismus  und Rassismus wieder Anklang fanden, an dem Kriege erneut aufbrannten, an dem die Herzen verschlossen wurden, an dem sich Deutschland in Besorgtbürger und Gutmenschen zu spalten begann, an dem das Mißtrauen zurück kam,  an dem man aus lauter Angst vor dem Tod begann auf Zehenspitzen durchs Leben zu gehen.

Er ist ....der Tag an dem aus lauter Angst die Freiheit nach und nach für die Sicherheit aufgegeben wurde.

Der 11. September 2001 betraf  und veränderte nicht nur Amerika allein, sondern er veränderte und durchdrang die gesamte Welt bis in die kleinsten Winkel und das Leben jedes einzelnen Lebewesens auf Erden.

Es ist an der Zeit den 11. September hinter sich zu lassen und von Neuem dort zu beginnen, wo wir am 10. September 2001 aufgehört haben.
Es ist an der Zeit wieder Hoffnung und Zuversicht zu schöpfen, uns wieder zu vertrauen, die damals erschaffenen Feindbilder in unseren Köpfen zu löschen, an das Gute in allem zu glauben, einander wieder zu lieben lernen und zu verzeihen.

Aber auch erneut die tatsächlichen  Grundwerte der Menschlichkeit, unserer jeweiligen Gesellschaft, des jeweiligen Glaubens erkennen und wieder zu leben beginnen. Wir müssen lernen uns wieder auf diese Zeit, vor dem 11. September 2001, zu besinnen.

Dienstag, 28. Juni 2016

Haben wir eine Wahl?!


Vor langer, langer, seeeeehr langer Zeit, also es war kurz nachdem die Dinosaurier ausgestorben waren, sind wir ja mit idealistischen Grundsätzen angetreten. Wir behandeln unsere Kinder stets freundlich und liebevoll, mit sanfter Stimme erklären wir ihnen unsere immer und stets äußerst sinnvollen Familien-Regeln, die wir immer und jederzeit konsequent beachten (denn auch wir haben gelesen, und Konsequenz ist in der Erziehung das A und O!). Und schon läuft der Film! Das wäre doch gelacht!
Jeder, der Kinder hat, weiß:
Nun ja. Netter Versuch....nächster Versuch.

Was davon am Ende übrig bleibt: Ja, man muss konsequent sein. Da sind sich alle einig – Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen etc. Schließlich sind wir alle gereifte Erwachsene, die aufgrund ihrer Lebensweisheit ihre Kinder sanft, aber bestimmt in die richtige Richtung lenken. Und es klingt doch echt gut, oder nicht?
Aber nun sind wir einmal ein bisschen ehrlich. „Konsequent sein“ bedeutet in den Augen der Kinder nichts anderes als: Sie haben durch schlimme Erfahrungen GELERNT, dass Mama, wenn sie wieder mal austickert, ein absolut ultramega hinterhältiger und gemeiner Oberfiesling sein kann – STO-OOOO-PP nochmal - nicht sein kann sondern sein WIRD. Der seine unausgegorenen und völlig krausen Ziele wie „wir schreiben unsere Hefteinträge in einer Form, dass es NICHT aussieht, als sei ein bizarres Insekt durch den Ur-Schlamm gerobbt“ oder „Wer im Supermarkt mit Äpfel herum schmeißt, kriegt Probleme, und zwar mit mir“, mit allerzähester Bulldoggen-Zielstrebigkeit verfolgt und sich auch nicht von dem 789. Versuch, dem zu entkommen, davon abbringen lässt! Ich würde mal sagen, so wird man, der man sich selbst  eigentlich als freundlichen Zeitgenossen auffasst, nicht wirklich gern gesehen, aber das ist halt so und bringt der Job eben mit sich. Und dringend notwendig, sonst ist man dem absoluten Wahnsinn geweiht. Damit musste eben zu leben lernen.

Allerdings muss man auch warnen: Die Drohungen, die man so ausstößt, sollte man auch durchziehen können, sonst nimmt einem keiner den bösen Polizisten, den man darbietet, mehr ab und man schießt sich am Ende nur selbst ins Knie. Womit wir auch schon bei dem Stichwort „böse Falle Selbstbestrafung“ wären:
In einem undisziplinierten Moment drohte ich meinem Kind, ihm den Urlaub bei Oma und Opa zu streichen, wenn er… ich weiß es nicht mehr was. Aber ich erinnere mich sehr wohl, wie ich Blut und Wasser geschwitzt habe: „Was ist wenn? Wie konnte ich nur??? Ich werde Omas und Opas Zorn wieder einmal auf mich ziehen, alle Kinder werden über Wochen gleichzeitig sauer auf mich sein,  haben, ich werde nicht in die Heimat fahren können, was ist da nur wieder in mich gefahren??? Hoffentlich war die Drohung schlimm genug!!!“
Zum Glück: Sie war es. Ich war nicht in der Klemme, meine Entscheidung revidieren zu müssen. Das war sehr lehrreich. Also, für mich. Mein Sohn, dem bereits bekannt ist, dass ich eine konsequente Erziehungsberechtigte, allgemein auch „obergemeine Fiesmama“ genannt, sein kann, hat daraus allerdings keine weitere Weisheit gezogen.

Geht das nicht ein wenig kollegialer? Freundlicher? Selbstverständlich! Nur man muss manchmal halt auch den Claim abstecken. Es geht nicht anders, ich kann nicht bei jedem Einkauf im Supermarkt vor der Alternative stehen, ich lege 20 Euro für irgendwelchen Schnickschnack hin oder die Kinder legen sich lang.
Und dann ist auch alles gut. Also, für uns selber gut. Die Kinder sind zwar noch immer unvorstellbar laut, kabbeln sich wegen Kleinigkeiten, sind mal müde, mal schlecht gelaunt, widerborstig, also kurz gesagt: in den Augen mancher garstige und unerzogene Rotzgören ohne Anstand und Benehmen, aber ganz ehrlich,  diejenigen, die dann herummeckern, sollen es erst einmal selbst besser machen, besonders jene meckernden kinderlosen ältlichen Damen und Herren. Oder auch unter Beweis stellen das sie es getan haben, besonders eben jene Personengruppe von denen allgemein bekannt ist, das ihre Kinder so gut wie nie zu Besuch kommen und jeglichen Kontakt mit den Eltern meiden oder diesen bereits vor Jahren schon abgebrochen haben.

Aber weiter zum nächsten Erziehungsklassiker.
Stichwort "Zuckerbrot & Peitsche":
Selbst wenn man – wie ich – praktisch nie fernsieht, liebe ich den Fernseher doch irgendwie sehr und würde ihn nicht missen wollen. Nicht das ich ihn zum überleben brauchen würde, aber wenn ich möchte kann ich ihn jederzeit für meine Zwecke nutzen.  Ich habe meinen Ältesten damals zweieinhalb Jahre mit allen Mitteln bearbeitet, um ihn schulisch wirklich gut zu motivieren.  Vorlesen. Selber Geschichten erfinden, erzählen und auch aufschreiben. Besuche in der Stadtbibliothek, um dort, in meinen Augen jedenfalls, sehr lustige Bücher auszuleihen (Kronprinz Louie: „Da steht aber Lesespaß drauf. Warum eigentlich? Ich habe ja überhaupt keinen Lesespaß!“) Basteln. Malen. Backen. Konstruieren. Quatschwörter erfinden und schreiben. Lustige und als pädagogisch wertvoll und eingestufte Lernspiele spielen (Louie: Wieso heißt es Lernspiel? Man spielt ja überhaupt nicht sondern rechnet oder liest dabei nur!) Ja, die Kinder lieben es wirklich! Man darf mir also zu meiner konsequenten Vorgehen gratulieren, nur wenige halten es so lange durch. Alternativ bliebe meinem Realitätsverlust, jeder andere hätte schon weitaus vorher begriffen, dass es sich hierbei um ein absolut sinnloses Unterfangen handelt und das man sich mit seinem Tun auf dem absoluten Holzweg befindet. Die neuesten Erziehungsratgeber empfahlen es damals jedoch, heute stehen sie voll davon und schreien danach die Kinder nach allen Regeln der Kunst zu fördern und fordern. Am besten man beginnt mit Englisch bereits im Kleinstkindalter, die musischen Talente fördert man am Besten schon im Mutterleib und beschallt das noch ungeborene Kind ab dem Tag wo die Schwangerschaft festgestellt wird mit klassischer Musik, nein, Schlagerhits aus den frühen 60igern und 70igern Jahren zählen nicht dazu. Auch die Volksmusik nicht, auch wenn es deren Name vermuten lässt, dass es sich bei diesem Genre um alte überliefte Musikstücke des Volksgutes handelt. Letzteres macht die Kinder höchstens schwerdepressiv, da nur überwiegend über Verlust, Herzschmerz und traurige Dinge gesungen wird. Was man denn so als singen bezeichnen möchte.
Auch Marschmusik fällt nicht in den Bereich Klassik. Gemeint sind eher Mozart, Chopin und Co. NEIN - nicht neu mit E-Gitarre in Szene gesetzt sondern ganz klassisch wie damals üblich.

Aber was hat das mit Schule zu tun? In den Augen meines Ältesten – überhaupt nichts! Nach so langen fruchtlosen Versuchen akzeptierte ich schließlich, dass wir so überhaupt nicht weiterkommen. Zeitgleich fing bei dem pädagogisch sehr ambitionierten Sender „Super RTL“ eine Staffel „Looney Tunes“ an. Die Koppelung von „Bugs Bunny und seine Freunde“ an schulisches Wohlverhalten war eine meiner pädagogischen Glanzleistungen überhaupt und katapultierte meinen Ältesten ganz nach vorne! Auch die anderen Kinder erfüllte nunmehr allergrößte Sorge, den Ansprüchen des artigen Bugs-Bunny-Sehers nicht zu genügen! Da hätte ich mir dieses ganze Motivations-Tobawabohu ja schenken können. Mann, warum nicht gleich so?! Dann ist doch alles gut, oder? Was steht dem Projekt „Durch Bugs Bunny zum Nobelpreis“ noch entgegen? Leider, wie bei allen supertollen Erziehungtipps, unsere Kinder. Denn Bugs Bunny und Co elektrisiert sie derart, dass sie über Stunden nicht mehr zu beruhigen sind und die ohnehin schon unerträglich späte Schlafenszeit sich noch weiter nach hinten verschiebt. Also, jeden Tag Bugs Bunny, das halte ich einfach nicht aus.

Darum halte ich mich schlicht an die GOLDENE und EWIGGÜLTIGE und PERFEKTE Erziehungsregel:
"Kinder muss man nicht erziehen - sie ahmen uns ja doch nur alles nach."
Kinder brauchen starke Vorbilder, denn sie ahmen von Geburt an das Verhalten ihrer Eltern bzw. nächsten Bezugspersonen nach. Und später zusätzlich noch das, was die Gesellschaft ihnen täglich zeigt und vorlebt.

Wir wurschteln uns halt weiter irgendwie durch, geben unser Bestes dabei und hoffen am Ende eine halbwegs gute Figur dabei gemacht zu haben. Dann besuchen sie uns später bestimmt einmal im Jahr im Pflegeheim, wenn wir viel Glück haben jedenfalls, denn das ist schließlich DAS was wir ihnen als Gesellschaft  täglich vorleben: Um die einem nahestehenden Menschen kümmert man sich nicht, sondern legt dafür Geld auf den Tisch und gibt sie in die, ihrem Alter entsprechenden, jeweiligen Institutionen ab, damit sich dort um sie gekümmert wird. Es ist erheblich wichtiger viel Geld zu verdienen und alle materiellen Bedürfnisse zu befriedigen, als sich wie ein soziales Wesen (der Mensch soll eines sein) um seine Artgenossen und Familienmitglieder zu kümmern.

Von den allerneuesten Erziehungsratgebern die gerade in Mode kommen, fange ich gar nicht erst an, denn es ist ein absoluter Rückschritt in die graue Anfangszeit der Bundesrepublik und 1960iger Jahre, wenn dieser Trend anhalten sollte.
Ich für meinen Teil bin jedenfalls froh, dass es hierzu eine Gegenbewegung gibt, dem Jesper Juul als Kopf voransteht und vermehrt in aller Munde ist. Meine Kinder wurden jedenfalls auf diese Weise erzogen, ehe Herr Juul in Deutschland überhaupt bekannt wurde und diesen Status erreichte. Seine Auffassung in puncto Erziehung teile ich darum auch von ganzem Herzen und hoffe das Kinder in Zukunft vermehrt als eigenständige Menschen mit eigenem Willen und vor allen Dingen als gleichwertige Menschen mit den gleichen Rechten angesehen werden. Die erste Frage die sich ein Erwachsener beim Anblick eines Kindes stellt sollte: "Was kann ich von ihm lernen" lauten und nicht "Was kann ich ihm beibringen!" Möge also die Gegenbewegung die Stärkere sein und sich am Ende durchsetzen.


Und um die Eingangsfrage zu beantworten:
Ja, wir haben eine Wahl, immer haben wir eine Wahl, wenn wir uns dazu entscheiden und durchringen können, eine haben zu wollen. Wir dürfen nur niemals aufgeben, unsere Ideale zu leben und Prioritäten im Leben richtig zu setzen, ganz egal was alle anderen um uns auch immer machen und sagen. Wir müssen unseren Weg gehen, egal ob es auf das Verständnis anderer trifft und sie es zu respektieren bereit sind.

Jeder entscheidet eigenverantwortlich für sich selbst, es gilt immer die 90:10 Regel und sie besagt ganz klar: 90% Eigenanteil und 10% Fremdanteil.
  

Mittwoch, 8. Juni 2016

Die verschiedenen Typen der Spielplatzeltern

Im Laufe meiner seit 19,5-Jahren andauernden Mutterschaft, sind mir die verschiedensten Typen von Müttern und Vätern in den unterschiedlichsten Lebenslagen über den Weg gelaufen. Sei es jetzt Krabbelgruppe, Spielplatz, Kindergarten, Schule, Einkaufsmarkt, Sportverein, Schwimmbad, Arzt, Krankenhaus,  ...und noch ganz viele andere Situationen...
Sie lassen sich grob in ca. 10 Gruppen einteilen. Ich habe mich für eine fiktive Spielplatzsituation entschieden um sie anschaulich darstellen zu können, sie können aber beliebig in jede andere Lebenssituation eingesetzt werden, denn ihr Verhalten verändert sich dadurch nicht signifikant. Aber hier nun meine Typologie:

Typus 1: "Hardrock Betty"
Ist ungefähr 20-21 Jahre, hat drei Kinder namens Schantal, Käwien und Schackelin, viele Tattoos, zwei bullig aussehende Hunde mit riesengroßen Zähnen  (genannt Mamas Herzi und Mamas Schatzi) dabei, denen sie die allergrößte Bewunderung und ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt, während der 18 Monate alte Käwien angepflaumt wird, wenn er sich ne Beule holt und sich dabei gefälligst nicht so anstellen soll! Der töppelige Blödmann, der! Ist ja nicht zum aushalten mit dem kleinen Arschgesicht, ey.


Typus 2: "Mag-gern-diskutieren-Lilly":
Mädchen (ca 1 Jahr) nimmt Timmys  Sandkastenförmchen und will damit spielen. Die Mama entreißt es ihr kategorisch und befiehlt dem Mädchen mit "Nein, Leonie, das ist nicht deins! Nein - nein - nein!" das Förmchen sofort wieder hinzulegen. Timmy ist währenddessen auf einen meterhohen Hügel geklettert und rast  diesen mit Überschallgeschwindigkeit hinunter. Das Förmchen interessiert ihn  angesichts der neuen physikalischen Grenzerfahrung logischerweise null Bohne. Das gemaßregelte Mädchen heult laut. Mitspielen-Mum fängt an  herumzuschimpfen. "Also wirklich Leonie, das ist doch jetzt nicht dein Ernst. - Das ist nicht deins - Nein du brauchst jetzt gar nicht so zu weinen. Du bekommst es trotzdem nicht. - Das gehört dem anderen Kind!" zeigt dabei in die Richtung des gerade die Schallmauer durchbrechenden Timmys "Siehst du, dem kleinen Jungen dort gehört es!" Na das lass mal nicht den "kleinen Jungen" hören, denn sonst erzählt er dir etwas. Er ist NICHT KLEI-HEIN sondern fast drei! Diese Dame ergießt sich in immer weiteren Erklärungen während das Kind immer lauter schreit.
Ich könnte jetzt natürlich sagen: „Ach sie kann ruhig damit spielen. Kein Problem, mein Sohn leiht es ihr bestimmt gerne.“  aber dann wird sie sagen: „Vielen Dank, aber die Leonie  muss es einfach lernen das sie sich nicht einfach alles nehmen kann was sie möchte!“ GÄHN! Dann bin ich natürlich gezwungen zu sagen "Ja das stimmt schon, ich habe das mittlerweile 7 x durch!" Damit sie sich in ihrer Mutterrolle bestätigt fühlt und das Gefühl einer Supermutti bekommt. Mache ich es nicht, dann wird sie ihre Bemühungen, die kleine Leonie zu einem sozialen Wesen zu erziehen nur noch  mehr verstärken, was am Ende dazu führen wird, das die kleine Leonie dadurch erst ein ganz übler Sandkastenrabauke wird, das alle Kinder heimlich kneift und an den Haaren zieht. Im Kindergarten ist sie dann diese fiese kleine Zicke, die andere Kinder ausgrenzt und immer der Chef sein will. Was sie dann einsam macht und selbst isoliert oder aber zum Kindergarten-Gang Anführerin macht vor der sich alle fürchten. In der Grundschule steht sie dann entweder immer allein auf dem Schulhof oder tyrannisiert alle anderen Kinder. Alternativ wird sie zum braven angepassten Ja-Sager das sich als Teenager dann a) zu ritzen beginnt b) aus Frust isst c) sich mit 14 bereits die Kante gibt und Kettenraucherin ist.. Oder sie wird halt zur Streberin mit der niemand spielen wird oder das IT Girl mit der großen Klappe. das mit 14-15 schwanger wird und die Schule abbricht. Oder....aber lassen wir das... also sage ich:

"Genau"…. Ehrlich gesagt, spätestens im Kindergarten werden die anderen Kinder es ihrer Leonie rausprügeln, also kann sie sich die Mühe sparen, aber das ist, wie bereits erörtert, die falsche Antwort und birgt zahlreiche Gefahren, daher sag ich gar nichts und renne mit Timmy in Überschallgeschwindigkeit den Hügel herunter.

Typus 3: " Mir-bleibt-ja-nichts-anderes-übrig-sonst-schlagen-sie-sich-zu-Hause-die-Köpfe-ein-Mutti."
Ist zum äußersten gelangweilt, zugleich aber ein totaler Kontrollfreak und sammelt zwanghaft Glasscherben und Hundekot aus dem Sandkasten ein (also ich).


Typus 4: " Die-Alte-hat-PMS-und-hat-uns-alle-rausgeschmissen-Papa"
Er steht etwas unbeholfen herum, steht aber seinen Mann. Wichtig: Von uns verweichlichten Weibern unterscheidet er sich dadurch, dass er NIE etwas zu Essen oder Trinken für die Kinder dabei hat. Man könnte ja annehmen, dass man mal zwei Stunden ohne Proviant übersteht. Stimmt ja auch. Aber: Hat man nach ca. 1,5 Stunden Vorbereitung endlich alle Kinder abmarschbereit, ertönt ganz sicher, kaum das man vor der Tür steht, der Satz: „Mama, ich hab Durst.“ Kann man ja noch ignorieren. Aber die nächsten 1977 Wiederholungen kommen, so sicher wie das Amen in der Kirche. „Warum hast Du denn vorher nichts getrunken?“ Blabla. „Warum hast Du denn vorher nichts gegessen?“ Blabla, den man sich absolut schenken kann, ebenso Belehrungen, dass man das nächste Mal … etc. pp. usw. Denn das wird nichts, auch rein gar nichts daran ändern, dass weitere 524 Wiederholungen folgen. Da wir das nicht mehr hören können, ohne komplett auszuticken, schmeißen wir halt immer eine Pulle Wasser und das Obst, das sonst eh keiner will, in den Kinderwagen oder den Rucksack. So ist das!


Typus 5 (abwesend): "Zicken-Mum"
 Sie ist eher so drauf: Ich geh mit meiner komplett in rosa Tüll gekleideten Tochter nie auf den Spielplatz, weil ich nachmittags Termine beim Friseur/Nagelstudio/Fitness habe und außerdem nerven mich der viele Sand und die vielen Kinder.


Mich eigentlich auch, aber die Kinder nehmen mir sonst die Wohnung auseinander wenn sie nicht nach draußen kommen zudem kann der Körper nur durch Sonneneinstrahlung auf die Haut Vitamin D produzieren, dass benötigt wird das der Körper Calcium resorbiert  … wenn ich also möchte das sie harte Knochen bekommen und keine Depressionen durch einen zu niedrigen Vitamin D Wert entwickeln, woraus dann wiederum Angststörungen und Hyperaktivität resultieren können.....letztere können sich natürlich auch aus einem Bewegungsmangel entwickeln....aber lassen wir das .... sie müssen also aus guten und nachvollziehbaren Gründen nach draußen.
....und im Garten regt es die nervigen und kinderlosen Musiker-Nachbarn auf, so sehr dass sie mit einem voll aufgedrehten Megaphon neben den auf dem Trampolin springenden und im Garten Fußball spielenden Kinder stehen und ihnen durch das voll aufgedrehte Teil entweder "RUHE" oder "Seid endlich leise!" zurufen.  Aber egal....weiter geht es:

Typus 6: "Very Bad Mum (VBM) "
Also praktisch jede Mutter. Mama 1 ist froh, sich mal mit jemandem über 5 Jahren unterhalten zu können, ihr Kleinkind 1 klettert währenddessen unbemerkt auf die Schaukel, plumpst prompt herunter und fängt an zu weinen. Mama 2 (Mutter von Kleinkind 2): „Sehen Sie, die quatscht nur herum und passt nicht auf ihr Kind auf!“ Kleinkind 2 hat aber gut aufgepasst und rennt kurze Zeit darauf in einem unbeobachteten Moment zur leeren Schaukel, klettert flugs hinauf, plumpst sofort herunter und weint. Mama 1: „Sehen Sie, die quatscht nur herum und passt nicht auf ihr Kind auf!“


Ich glaube, ich gebe den Kindern auch auf dem Spielplatz zukünftig keine Schokolade mehr. Da sie nur einmal in der Woche (am Wochenende) oder am sogenannten Kinotag (DVD schauen und dabei auf dem Sofa lümmeln) welche bekommen, schieben sie sich diese natürlich gierig wie die Aasgeier hinein.
Die pikierten Blicke der VGM (Very Good Mums) sind eindeutig: "Diese armen und bedauernswerten Kinder erhalten niemals eine gesunde Zwischenmahlzeit, sondern werden immer mit gesundheitsschädigenden Substanzen gefüttert. Das ruiniert doch die ganze Gesundheit und später heißt es dann "Mein Kind hat ADHS" das es ja überhaupt nicht gibt sondern nur eine Erfindung der Pharmazie ist.  Die Armen tun mir echt total leid."

Typus 7:  "Die Heiler-und-Kummerkastentante-Mutti"
Sie weiß und kann alles, hat nach 2 Jahren Mutterschaft für alle Weh-Wehchen einen Rat. Kennt sich in allem aus und es gibt absolut nichts wozu sie ihren Senf nicht geben muss. Sie erstellt binnen 2-3 Minuten Blickdiagnosen und weiß das Heilmittel für die von ihr diagnostizierten Probleme, Störungen und Krankheiten jedes Kindes. Sie hat für jeden einen Ratschlag und gibt diese auch stets ungefragt. "Was machen Sie gegen die Hyperaktivität ihres Kindes?" "Ihrem asthmatischen Kind geben Sie am Besten SpasmoMucosolvan!" "Was machen sie gegen die Neurodermitis Ihres Kindes?" "Ich tippe darauf, dass Ihr Kind in den nächsten Tagen die Windpocken bekommt, solche schlechte Laune hatte meine 3 Jahre jüngere Schwester vorher auch, als sie mit 5 die Windpocken bekam!" ....ein "Nein du Knalltüte, mein Kind ist nur sauer weil ich ihm kein Eis kaufen will!" verkneife ich mir natürlich, sondern schaue kurz auf ihr schnotznasiges Kind dem die Kerzen unter der Nase hängen, die ihm mit Sand vermischt bereits über den Mund laufen. Ich denke mir nur meinen Teil  und enthalte mich jeglichen Kommentars. Ihr Blick ist geschult auf die Defizite anderer Kinder, durch ihre Selbstlosigkeit und ihrem Heiler/Helfersyndrom fehlt ihr aber meist die Zeit, die Schwierigkeiten und Defizite des eigenen Kindes zu bemerken welche da wären u.a. Schielen, sehr eingeschränkte Hand-Augen-Koordination, starker Husten, Ausschlag und Ekzeme, gestörtes Sozialverhalten, linkische Bewegung des Kindes, eingeschränkte Motorik, ...uvm... die jedem ohne ihren hochfunktionalen Blick auf den ersten Blick ins Auge fallen.


Typus 8 "Ich-kann-alles-Mutti"
Diese Mutter hat es in sich, sie ist quasi der Inbegriff eines perfekten Menschen. Sie kann Schweine schlachten, Fenster einsetzen, Holz hacken, Computer programmieren, einen Ölwechsel am Auto durchführen, Hausdächer decken, Möbel tischlern, Mode entwerfen, nähen, sticken, stricken, häkeln, Straßen pflastern oder asphaltieren,  kochen, backen, Obstbäume veredlen, Reifenwechsel, Fahrräder reparieren, ...kurz: Es gibt nichts was sie nicht kann ....mit Ausnahme vielleicht von das/die eigene/n Kind/er beaufsichtigen, erziehen und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Sie ist die Lara Croft unter den Müttern.


Typus 9: "Ich-habe-den-ganzen-Mist-und-euch-nicht-nötig Mutti"
Sie tritt vorwiegend in Markenkleidung auf, ebenso ihr (erstes) Kind. Sie steht gelangweilt über den Dingen, ist in allem bewandert, kennt schon alles und braucht sich diesen ganzen Mist grundsätzlich nicht geben. Andere Kinder erscheinen ihr nicht als würdige und die geeigneten Spielkameraden für Kind zu sein. Sie grenzt sich ab und distanziert sich. Keinen Zweifel lässt sie daran, dass sie es gar nicht nötig hat eine Unterhaltung zu führen oder überhaupt auf dem Spielplatz sein zu müssen, denn: Alle anderen können weder ihr noch ihrem Kind das Wasser egal ob auf materieller oder geistiger Ebene reichen und sind absolut unter dem Niveau der beiden, dass gleiche gilt für den Spielplatz und die Spielgeräte: zu Hause im eigenen Garten stehen hat sie erheblich besseres und qualitativ höherwertiges stehen. Sie wirkt auf andere durch ihr Gebaren arrogant, vermessen, selbstverliebt und eingebildet. Also niemand, mit dem sich die anderen 9 Typen überhaupt einlassen würden. 

  
And last, but not least

Typus 10 "The  Russian Mum"
Rennt aus unerklärlichen Gründen in einem kompletten Ganzkörper-Plüschhasenkostüm herum und hat heftig Eau de Vodka aufgetragen. Schlägt sich bei einem Stunt auf der Schaukel die Nase blutig, ist aber ansonsten, ebenso wie ihre artigen Kinder, sehr pflegeleicht.


Mein Mann, der mit den größeren Kindern an der Schaukel unterwegs  war, unterhielt sich einst recht lang mit ihr. Ich fragte ihn neugierig, was es mit dem Hasenkostüm auf sich habe. Er fragte leicht irritiert: „Hasenkostüm? Was denn für ein Hasenkostüm?..." schaut noch einmal hin  "Ach so ja, kann sein. Keine Ahnung, hab ich nicht gefragt.“

Deswegen, Mädels, keine Sorge, wenn der Geliebte nicht bemerkt, dass Ihr beim Friseur wart oder eine neue Bluse anhabt….

Dienstag, 7. Juni 2016

Ist ADHS eine Modeerkrankung?

Bereits bei den alten Griechen findet man Hinweise auf Kinder, die „in ihrem Temperament zu viel des Elements Feuer“ hatten, Diesen empfahl der griechische Arzt Gerlen, Opium zur Beruhigung anzuwenden. Aber auch bei Persönlichkeiten aus der Bibel finden sich Hinweise auf emotional impulsives Verhalten. Jesus nannte seinen Lieblingsjünger und dessen Bruder "Donnersöhne", auch das Verhalten von Petrus, der emotional impulsiv Jesus „in den Tod folgen“ will, sich der Tragweite seiner Aussage nicht bewusst ist, und sich schließlich selbst verleugnet, weist darauf hin.


1775 Der deutsche Arzt Melchior Weikard beschreibt in seinem Buch „Der philosophische Arzt“ die klassischen Symptome der Aufmerksamkeitsstörung (Mangel der Aufmerksamkeit, Attentio Volubilis) und widmet dieser ein ganzes Kapitel.

1798 beschreibt Sir Alexander Crichton „die Unfähigkeit sich konstant mit einem Objekt zu befassen“ in seinem Werk. Er vermutete eine „krankhafte Sensibilität der Nerven“. Diese sei vielleicht angeborenen oder "Begleiteffekt einer Krankheit". Er beobachtete, dass es Menschen mit einem Zustand der Unruhe gibt, die im Zimmer auf und ab gehen, Dinge hin und her schieben, aufgeregt sind, etc.. Mit seinen Beobachtungen der Unruhe und seinen Überlegungen, wie diese zu beeinflussen sei, war Crichton seiner Zeit voraus

1808 beschrieb Dr. Haslam, Leibarzt Kaiser Napoleon I. ein „moralisch krankes Kind, Sklave seiner Leidenschaften, Schrecken der Schule, Qual der Familie, Plage der Umgebung.“

1844 entstand in Frankfurt das Buch "Der Struwwelpeter" von dem damals praktischen Arzt und Geburtshelfer und späteren Nervenarzt Heinrich Hoffmann Dieser Frankfurter Arzt beschrieb aus eigener Erfahrung typische Erscheinungsbilder hyperkinetische Kinder: den Zappelphilipp, den fliegenden Robert, Hans guck in die Luft und den bösen Friedrich.

1845 vermutet der Berliner Psychiater Wilhelm Griesinger erstmals, dass das Gehirn als ein „psychisches Organ“ Funktionsstörungen haben könnte und dies als Ursache für „psychische Krankheiten“ in Frage komme. Er führte aus, dass Kinder, die „keinen Augenblick Ruhe halten . . . und gar keine Aufmerksamkeit zeigen“, eine „nervöse Konstitution“ haben und "unter einer gestörten Reaktion des Zentralorgans auf die einwirkenden Reize" leiden würden.

1859 schreibt der Breslauer Heinrich Neumann, ein Gegner der Gehirnpathologie von Wilhelm Griesinger, „ Solche Kinder haben etwas Ruheloses, sie sind in ewiger Bewegung, höchst flüchtig in ihren Neigungen, unstet in ihren Bewegungen, schwer zum Sitzen zu bringen, langsam in der Erlernung des Positiven, aber oft blendend durch rasche und dreiste Antworten.“ Eitle Mütter würden diesen Zustand als geistreich, besorgte Mütter als aufgeregt bezeichnen. Er führt diese Unruhe der Kinder auf eine vorschnelle Entwicklung zurück und bezeichnet sie als „Hypermetamorphose“


1867 rechnete der englische Kinderpsychiater Henry Maudsley die unruhigen Kinder zur Krankheitsgruppe des „affektiven oder moralischen Irreseins“, .

1869 brachte der amerikanische Neurologe George Miller Beard die Bezeichnung „Neurasthenie“ für „Zustände reizbarer Schwäche“ ins Spiel. Wegen der Zunahme von Hektik und Hast im Zuge der industriellen Entwicklung. Beard wollte damit eine „predominantly American societal illness“ beschreiben; sie sei häufiger als alle anderen Nervenkrankheiten in den USA und beruhe auf fünf bedrohlich gewordenen Außenfaktoren: Dampfkraft, Tagespresse, Telegraf, Wissenschaften und der „mental activity of women“ (geistigen Aktivitäten der Frauen). Später sprach er von einer spezifischen „American nervousness“; sein Begriff der Neurasthenie fand in der Folge weltweit Verbreitung.


1878 vermutete der deutsche Kinderpsychiater Hermann Emminghaus (1845–1904) „Vererbung und Degeneration“



1881 beschrieb Scherpf "das impulsive Irresein als häufigste kindliche Seelenstörung"

 

1890 entwickelte der Leipziger Psychologe Ludwig Strümpell im System einer „Pädagogischen Pathologie oder die Lehre von den Fehlern der Kinder“. Er beschrieb Unruhe und Unaufmerksamkeit als „konstitutionelle Charakterfehler“ und als "moral defect".

In etwa zur selben Zeit beschreibt der amerikanische Psychologe William James in seinem Werk „The principles of Psychology“ Menschen die besonders Probleme mit der Impulskontrolle hatten. Er erkannte bei Betroffenen, dass sie zu wenig über ihre Handlungen und den anschließend Konsequenzen nachdachten und Schwierigkeiten mit der Selbstreflexion hatten. Allerdings gelante James nicht nur zu der Ansicht, dass das beschriebene Verhalten nur negative Folgen für die Betroffenen hatte. Er war vielmehr davon überzeugt, dass viele Revolutionäre und bekannte Persönlichkeiten der Geschichte diesem Persönlichkeitstyp angehörten und erachtete darum die Impulsivität der Betroffenen als Fähigkeit zum schnellen Reagieren und Schlagfertigkeit.



1902 schilderte der Londoner Pädiater Georg Frederick Still detailliert die Symptome von ADHS anhand der Studien an 20 Kindern mit „Defects in Moral Control“. Diese Beschreibungen der Symptome waren den heutigen Diagnosekriterien sehr ähnlich. Zu ihnen gehörten extreme Unruhe, ständige Bewegung, mangelnde Fähigkeit konzentriert und ausdauernd bei einer Sache zu bleiben, Leidenschaftlichkeit und mangelnde Willenskontrolle. Diese Kinder würden trotz "intakten Intellekts" in der Schule versagen. Er beobachtete, dass mehr Jungen als Mädchen betroffen seien. Diese Kinder seien durch Bestrafung nicht zu kontrollieren, die Prognose einer Heilung sei schlecht. Vermutlich resultiere dieser "defect of moral control" sowohl aus Vererbung als auch aus neurologischen Ursachen, es sei also (auch) ein medizinisches Problem und diese Kinder seien nicht einfach nur „unmoralisch“, „dumm“ oder „unerzogen“.


1908 berichtet der Berliner Pädiater Adalbert Czerny in seinen, über Jahrzehnte hinweg immer wieder neuaufgelegten Vorlesungen, der „Arzt als Erzieher des Kindes“ darüber das Charakter von Erziehung und Gesundheitszustand bestimmt wird. Ein im engsten Sinne normales Kind sei erstens gut ernährt und verfüge über ein gut trainiertes Nervensystem. Als Zwischenstufen zwischen normalen und abnormen Kind beschreibt Czerny eine Gruppe von Kindern mit folgenden Merkmalen „Großer Bewegungsdrang, mangelnde Ausdauer im Spiel und bei jeder Beschäftigung, Unfolgsamkeit und mangelhafte Konzentrationsfähigkeit der Aufmerksamkeit beim Unterricht.“ Für ihn fallen diese Kinder in die Gruppe der „schwer erziehbaren Kinder“ und gehörten zur „neuropathischen Konstitution.
Aus der Psychiatrie kommt etwa zur gleichen Zeit der Begriff der „Psychopathie“; auch hier werden die unruhigen Kinder auf der Grenze zwischen dem Normalen und Krankhaften eingeordnet. Diskutiert wird eine ererbte oder intrauterin erworbene Veranlagung, die zu „angeborener Minderwertigkeit“ führe – auch dies ist ein Stigma, mit dem solche Kinder belastet wurden



1920er Jahre, als vermehrt Kinder an Enzephalitis erkrankten, wurden ADHS-Symptome dieser Erkrankung zugeordnet und es entstand der Begriff "Post-encephalitische Verhaltensstörung"

 

1926 beschreibt August Homburger, ein Wegbereiter der modernen Kinderpsychiatrie, Kinder mit erhöhter Erregbarkeit, starker Ablenkbarkeit, ruhelosem Abwechslungsbedürfnis und eine deutlich verminderte Konzentrationsfähigkeit. Da in den konkreten Einzelfällen Reizüberflutung und falsche Erziehungsmethoden die Realität des Geschehens bestimmen, müsse der Arzt vor allem „ein erziehender Berater der Eltern sein“. Ähnlich sehen dies zur gleichen Zeit auch Kinderärzte, wie der Karlsruher Pädiater Franz Lust, der die Behandlung solcher Kinder in jedem Lebensalter auch für den Arzt zu einer eher pädagogischen Aufgabe macht.


1932 veröffentlichten Kramer und Pollnow in der „Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie“ (Bd. 82 S. 1-40) einen umfangreichen Artikel „Über eine hyperkinetische Erkrankung im Kindesalter“. Bereits zwei Jahre zuvor hatten die Autoren im „Zentralblatt für die gesamte Neurologie und Psychiatrie“ (Bd. 57, S.844–845) erstmals über „Hyperkinetische Zustandsbilder im Kindesalter“ berichtet. Der Artikel machte die Namen seiner Autoren für Jahrzehnte zum Inbegriff der Hyperkinese. Das in Deutschland für mehrere Dekaden als „Kramer-Pollnow-Syndrom“ bekannte Störungsbild beschrieben die Ärzte mit zahlreichen Beispielen und großer Genauigkeit der Beobachtung. Vor diesem Hintergrund wiesen die Autoren bereits vor über 80 Jahren auf die sozialen Folgen der Symptomatik hin. Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität waren in den Augen von Kramer und Pollnow mehr als nur ein individueller Ausdruck von Temperament oder kindlicher Befindlichkeit – sie waren Symptome einer basalen Einschränkung der Anpassungsfähigkeit an die Regeln des Zusammenlebens, sie waren eine systematische Bedingung des Scheiterns des gestörten Einzelnen in der Gemeinschaft.

1933 werden aufgrund der Diskriminierung, Deportation und Emigration führender Kliniker und Wissenschaftler in Österreich und Deutschland differenzierte Diskussionen unterbrochen. Erheblich anders ausgerichtete Fachvertreter nehmen hier jetzt das Problem in die Hand.


1937 berichtete Dr Charles Bradley über die hilfreiche Wirkung der Stimulanzien auf verhaltensauffällige Kinder. In den Jahren nach der ersten Beschreibung Bradleys befassten sich anfangs Kinderärzte und Kinderpsychiater, später Kinderpsychologen mit diesem Krankheitsbild. Es fand erst in den USA, später über Neuseeland, Holland, England und Skandinavien Beachtung. In Deutschland erschienen die ersten Berichte Mitte der 60er Jahre. Dann allerdings zahlreiche Publikationen; allein im deutschsprachigem Raum 1965 bis 1985 über 250 Arbeiten, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen von medizinischer, psychologischer und pädagogischer Seite.

 

1939 erklärt der Wiener Ordinarius für Kinderheilkunde Franz Hamburger die Unruhe der Kinder schlicht zu den neurotischen Unarten, gegen die man „einschreiten“ müsse; Therapieziel sei die Erlangung eines „freudigen Gehorsams“ beim Kind. Man könne den Eltern darum nicht genug empfehlen, „ihre Kinder vom elften Jahre an in die Hitler-Jugend zu geben. Die meisten Kinder verlieren ihre Neurosen, wenn sie den Betrieb in der HJ mitmachen.“


1954 kam Ritalin zum ersten Mal in Deutschland auf den Markt.


1957 vermutete Maurice Laufer die Ursache in einem Defizit des Zentralnervensystems. Seiner Theorie zufolge filtern die thalamitischen Gehirnregionen zu wenig Stimulation heraus, so dass das Gehirn von Eindrücken überschwemmt wird. Betroffenen Kindern wurden spezielle, reiz- und ablenkungsarme Klassenzimmer zur Verfügung gestellt.

1960-1970iger Jahre wurde überwiegend angenommen, dass es sich bei ADHS um eine "leichte frühkindliche Hirnschädigung" handle, es entstanden Begriffe wie "Minimal cerebral Dysfunction" (MCD) Psychoorganisches Syndrom (POS) vor allem im Schweizer Raum, in Deutschland wurde der Begriff MCD (Minimale cerebrale Dysfunktion) übernommen.

Diese Bezeichnung erwies sich als problematisch, da erkannt wurde, dass viele Kinder ohne Anzeichen von Hirnschädigungen auch Symptome von ADHS zeigten, der Begriff "Brain Damage" schien also nicht angemessen zu sein. In den 1970er Jahren wurden gleichzeitig mehrere Symptome erkannt, die zusammen mit Hyperaktivität auftraten. Dazu gehörten Impulsivität, Mangel an Konzentration, Tagträumen und die fehlende Fokussierung auf eine Aufgabe


1968 wurde die "Hyperkinetische Reaktion der Kindheit" in den DSM-II (1968) aufgenommen, obwohl sich die Fachleute dessen bewusst waren, dass viele der diagnostizierten Kinder Aufmerksamkeitsstörungen ohne irgendwelche Anzeichen von Hyperaktivität hatten


1978 wird in der ICD-9 das hyperkinetische Syndrom des Kindesalters zum ersten Mal als eigenständiges Krankheitsbild benannt.

1980 führte das DSM-III den Begriff "ADD" (Attention-Deficit Disorder) mit oder ohne Hyperaktivität ein. Die Terminologie ADD wurde mit der Revision im Jahr 1987 auf ADHS im DSM-III-R geändert. Erstmalig wird auch das Persistieren der Symptome bis ins Erwachsenenalter als „ADD Residual Type“ erfasst


1984 beschrieb Viriginia Douglas ein Problem der Selbstregulation mit zu wenig Daueraufmerksamkeit und Anstrengungsbereitschaft und schuf den Namen "Attention Deficit Disorder", dieser wurde im Jahre 1980 von der American Psychiatric Association festgelegt und


1985 veröffentlichte der Kinderarzt Dr. Walter Eichlseder in München das erste deutschsprachige Buch zu ADHS: „Unkonzentriert? Hilfen für Hyperaktive Kinder und Eltern“.



1987 wird ADD in "Attention Deficit Disorder Hyperactive" erweitert. Die American Psychiatric Association postulierte, dass ADHS eine medizinische Diagnose sei und kein rein psychisches Problem, dass aber ADHS zu Verhaltensproblemen führen könne.



1992 kann die Diagnose hyperkinetisches Syndrom im ICD-10 auch im Erwachsenenalter gestellt werden. „Die Kriterien sind dieselben, jedoch müssen Aufmerksamkeit und Aktivität anhand entwicklungsmäßig angemessener Normen beurteilt werden.“


1994 wurde im DSM-IV erstmals ADHS-Subtypen vorgestellt. In Deutschland sind weiterhin die wenig realitätsnahen Kriterien des ICD-X zur Diagnose von ADHS gültig.

1996 nannte R. Barkley ADHS eine: „Entwicklungsstörung der Selbstkontrolle“.


1997/99 wurde im Auftrag des Kultusministeriums München ein Film und eine Handreichung für Lehrer entwickelt: „Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder im Unterricht“.

1998 veröffentlichten Droll, Krause/Krause und Trott die erste Leitlinie für Erwachsene: „ADHD im Erwachsenenalter“


2002 wurde das „Eckpunktepapier des BMGS“ erarbeitet und


2003 wurde ADHS bei Erwachsenen in Deutschland offiziell anerkannt.


2005 wurde die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer zu ADHS veröffentlicht.


2011 erhielt Medikinet adult, nachdem Metylphenidat lange Zeit off-label verordnet wurde, die Zulassung in Deutschland zur Behandlung Erwachsener Menschen mit ADHS. Erst in den 1990er Jahren war zunehmend ein Bewusstsein dafür gewachsen, dass ADHS keine Störung des Kindesalters ist, sondern ein Leben lang fortbesteht, auch wenn die "Hyperaktivität", also die deutliche äußere motorische Unruhe, in der Pubertät zurück ginge. Im Kern bleibt die ADHS-typische Problematik, wie Dr. Russel Barkley sie beschreibt, jedoch bestehen. So hat sich Methylphenidat auch im Erwachsenenalter als Medikament der Wahl etabliert. Die Diagnostik bei Erwachsenen bewies sich aufgrund hinzugekommener komorbiden Störungen häufig als schwierig, da die eigentliche Symptomatik des ADHS hierdurch maskiert werden.


2013 Im DSM-V wird ADHS als ein "Muster von Verhaltensstörungen und kognitiven Funktionsstörungen" beschrieben, außerdem werden die verschiedenen Erscheinungsformen von ADHS sowie das Fortbestehen der Symptomatik im Erwachsenenalter mit in die Diagnose einbezogen.

Mittlerweile ist die Anzahl der Veröffentlichungen, aus allen Teilen der Welt, so groß, dass eine Literaturrecherche (nur bei namhaften wissenschaftlichen Blättern) jeden Monat ca. 200-300 Arbeiten erfasst.
Unter ganz verschiedenen Namen wurden bisher von verschiedenen Autoren Kinder und Jugendliche mit sehr ähnlichen Problemen beschrieben. Abzugrenzende Begriffe:

Kramer-Pollnow-Syndrom: in Deutschland über mehrere Dekaden bekanntes Störungsbild.

MCD: Minimale cerebrale Dysfunktion war lange Zeit eine typische Bezeichnung

MBD: Minimal Brain Dysfunction/Damage

POS: Psycho - organisches Syndrom in der Schweiz üblich

HKS: Hyperkinetisches Syndrom in ICD 9

ADDS: Attention Defizit Disorder Syndrom mit / ohne Hyperaktivität und Sozialstörungen war in den USA lange Zeit üblich


Benutzt wurden von verschiedenen Fach- und Berufsgruppen:

Hirnfunktionsstörung, Partielle Hirnreifungsstörung, Hirnorganisches Psychosyndrom, Teilleistungsstörung, Minimale cerebrale Bewegungsstörung,Hyperaktive Kinder, Ungeschickte Kinder, Aufmerksamkeitsgestörte Kinder, Kinder mit besonderem Förderbedarf, Schwerkraftverunsicherte Kinder, schwererziehbare Kinder, Unerzogene Kinder, sozialgeschädigte Kinder, ...
Lediglich Teilaspekte der Störung umfassen diese Namen und sind nicht identisch, aber in großen Bereichen überschneiden sie sich. Heute gilt ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) in Deutschland und ADHD (Attention-Defizit-Hyperactivity-Disorder) im englischsprachigen Raum als die korrekte Bezeichnung (DSM IV/V)

Gute 180 Jahre vor Einführung von Ritalin auf dem deutschen Markt wird über die typischen Symptome der ADHS berichtet, referiert, geforscht, dieses ganz besonders in Deutschland. Und wie oben bereits angemerkt, wussten schon die Mediziner der alten Griechen und auch der Römer darüber etwas zu erzählen und versuchten bereits zu helfen und behandeln. Mit Sicherheit sind diese Forschungen und Berichte über den Vorwurf erhaben „Handlanger der Pharmakonzerne“ zu sein.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2016, seit WeikardsBeschreibungen im Jahre 1775 sind genau 241 Jahre vergangen. Bei ADHS handelt es sich, unter Berücksichtigung der historischen Fakten, also mit Sicherheit nicht um eine Modeerscheinung unserer Zeit, sondern um die Erkenntnis eines Problems, das erst sehr spät in unser gesellschaftliches Bewusstsein vorgedrungen ist.


In früheren Zeiten, stand als erstes im Leben eines Kindes das Überleben selbst im Vordergrund, aus diesem Grund waren derartige Probleme also erst einmal nicht so wichtig und absolut nachrangig. Entweder fielen die Schwierigkeiten z.B. in großen Familien nicht so sehr ins Gewicht oder die Kinder galten eben als schwarze Schafe der Familie, ohne dass man die Ursachen ihres Versagens hinterfragt hätte. Nicht außer acht gelassen werden darf, die Veränderung der gesellschaftlichen Struktur, die Errungenschaften der Wissenschaft und natürlich: Veränderungen im Gesundheitssystems, welches in Deutschland Ende der 1960iger Jahre Psychotherapie nicht als Kassenleistung vorsah und von den betroffenen Personen allein getragen werden mussten. Hinzu kommt das hierzulande körperliche Züchtigung und seelische Grausamkeiten über Jahrzehnte hinweg als natürliches Erziehungsmittel galten. „Wer sein Kind liebt, züchtigt ist“ war eine Maxime die auch in den späten 1990iger Jahren nach wie vor Gültigkeit in Deutschland besaß und auch heute noch in weiten Teilen der Bevölkerung besitzt. Des weiteren hat sich die gesellschaftliche Struktur in den vergangenen 30 Jahren erheblich verändert, sie ist durchlässiger und homogener geworden. Die Herkunft eines Menschen entscheidet nicht mehr zwingend darüber, was eines Tages aus ihm wird. In der heutigen Zeit aber, eine Zeit der gezielten Förderung der wenigen Kinder, einer Geburtenrate von 1,4 Kinder pro Familie und natürlich der bewussten Elternschaft, ist diese Störung aber tatsächlich erst richtig ins Bewusstsein der Gesellschaft gerückt worden.Wenn man sich als Eltern oder Lehrer in hohem Maß um die optimale Entwicklung eines Kindes bemüht, ist es verständlicherweise recht frustrierend, wenn das Kind den in ihn gesetzten Erwartungen in seinen Möglichkeiten und seinem eigentlichem geistigen Potenzial nicht gerecht wird.

Es erscheinen immer wieder Artikel die alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, Untersuchungen und die lange Historie ignorieren wie auch leugnen. Sehr oft wird mit Propagandaparolen aufgetrumpft, hier ist dann die Rede von: „Pillen statt Erziehung“, eine „Pille gegen eine erfundene Krankheit“, es wären„90 % der ADHS-Diagnosen falsch“, ADHS ist eine „fabrizierte Erkrankung“ Metylphenidat wäre ein „Goldesel für die Pharmaindustrie“ und „macht psychisch abhängig“, weil „wenn Paul die Tablette vergisst, kommt er von der dritten Stunde an nicht mehr mit.“ Wahrscheinlich macht Methylphendat genauso wie Insulin psychisch abhängig, denn ohne sein Insulin trübt der Diabetiker zunehmend ein, er kommt dann auch nicht mehr mit. Man schreckt auch nicht davor zurück tote Menschen wie Leon Eisenberg für diese Kampagnen zu mißbrauchen, dabei dann geschichtliche Tatsachen und Fakten kurzerhand zu verdrehen. Leon Eisenberg ist weder der Erfinder noch der Vater von ADHS, er setzte sich lediglich wie viele andere Menschen jener Zeit dafür ein, dass dieses Störungsbild im DSM aufgenommen und damit offizielle Krankheit anerkannt wird. Nur offizielle Krankheiten dürfen und werden therapiert, es verpflichtet zudem Krankenversicherungen diese Kosten zu übernehmen. Bei nicht anerkannten Störungen und Krankheiten findet keinerlei Kostenübernahme seitens der Versicherer statt und der Betroffene muss selbst für diese aufkommen. Was eine erhebliche Diskriminierung und Benachteiligung der "weniger verdienenden" Bevölkerung darstellt. Nur wenige könnten sich diese Kosten leisten und der Großteil würde darauf verzichten. Dieses hätte verheerende gesellschaftliche Folgen. Er hat des weiteren nicht auf dem Totenbett gestanden, dass es ADHS nicht geben würde, sondern das es sich dabei um eine unglückliche Bezeichnung handelnt würde: ADHS sei kein Defizit der Aufmerksamkeit sondern ein zu viel der Aufmerksamkeit. Auch nannte er es lediglich „ein Paradebeispiel für fabrizierte Krankheiten“ und meinte damit jene Diagnosen die zu schnell getroffen würden, ohne dass das soziale Umfeld des Kindes einzubeziehen. Soziale Elemente, Ernährung, mögliche traumatische Erlebnisse, Erziehungsstil und Lebensgestaltung der Eltern würden dabei keine Beachtung finden und oft nicht berücksichtigt. Logischerweise stellt Methylphenidat keine Hilfe für sozialgeschädigte oder traumatisierte Kinder oder gar kulturell bedingten Auffälligkeiten dar.

Viele diese Kampagnen sind ein herber Schlag ins Gesicht der Eltern, die dringend Hilfe für ihre von dieser Störung und darunter leidenden Kinder brauchen und suchen. Aber ganz besonders für die Kinder selbst, die aufgrund der Störung unter sozialer Ausgrenzung, täglicher Abwertungserfahrungen durch Mitmenschen, als dumm und asozial abgestempelt werden, ihres Lebens überdrüssig werden, ...etc. etc.pp. Gleichzeitig ist es auch für diejenigen, die sich um Hilfen und Perspektiven bemühen und einsetzen.

Es handelt sich bei diesen Artikeln und Kampagnen zudem selten um eine konstruktive Kritik, denn außer Verunglimpfungen von Eltern, Kindern und Erziehern bieten sie keinerlei Lösungen an oder tragen auch nur im Ansatz zu einer Lösung, der vielfältigen Schwierigkeiten und Probleme unter die diese Kinder zu leiden haben, bei. Außer acht gelassen werden bei diesen Diskussionen zudem der oftmals jahrelange große Leidensdruck der Kinder, welcher durch die Gesellschaft, einem starren und einseitigem Schulsystem, erhöhtem Leistungsdruck und ein erhöhtes Ruhebedürfnis erwachsener Menschen resultieren.
Der Griff zu Methylphenidat stellt in den meisten Fällen, immer noch das Mittel der letzten Wahl bzw. letzten Instanz dar. Es kommt erst dann zum Einsatz, wenn alle anderen Möglichkeiten wie Ergotherapie, Verhaltenstherapie, Ernährungsumstellung, Umstrukturierung des Alltags, etc. etc.pp ausgeschöpft und keinerlei Wirkung oder Verbesserung zeigen. Verantwortungsvolle Erziehungsberechtigte und gewissenhafte Fachärzte scheuen  überwiegend den sofortigen Griff nach Methylphenidat. Zudem erhält nicht jedes Kind mit der Diagnose ADS/ADHS automatisch den Wirkstoff Methylphenidat.

Des weiteren handelt sich bei den Präperaten mit diesem Wirkstoff auch nicht um eine sog. „Intelligenzhebepille“. Entweder ist Intelligenz vorhanden oder sie ist es nicht, eine Tablette wie Ritalin, Medikinet, Concerta, um nur drei der Präperate zu nennen, ändert daran auch nichts. Das einzige was sie bewirkt ist lediglich die Tatsache, dass die Intelligenz in vollem Umfang wie sie vorhanden ist genutzt werden kann. Es ist auch keine "Abschaltpille", "Liebmachpille" "Ruhigstellpille" oder oder oder....die Begrifflichkeiten der ADHS-Verleugner sind mir leider nicht alle zur Gänze geläufig.

Man kann lediglich sagen:
In einem Berg in dem kein Gold ist, findet auch ein passionierter Goldgräber, selbst mit den tollsten und modernsten Gerätschaften und egal wie tief er auch bohren mag, keines. In Menschen mit ADS/ADHS liegen aber zahlreiche verborgene Schätze und es ist in ihnen oftmals erheblich mehr pures Gold zu finden, als in nicht davon betroffenen Menschen. Es wäre also eine wahrhafte Schande und Sünde sie nicht zu Tage zu fördern und weiterhin im Verborgenen verkümmern zu lassen. Jeder hat ein natürliches Recht darauf Hilfe zu erhalten aber auch glänzen und strahlen zu dürfen, egal in welchem Bereich auch immer. Einem Menschen mit amputierten Bein würde mit Sicherheit auch niemand seine Prothese wegnehmen oder einem Diabetiker sein Insulin oder einem Herzkranken sein Herzmittel.
 
 

Samstag, 26. März 2016

Keine Beziehung ohne Meinungsverschiedenheit

Eine Frau und 8-fache Mutter beschwerte sich neulich bitterlich in einem Forum für kinderreiche Familien darüber das ihr Mann selten Zeit hätte, sie ständig alles alleine würde machen müssen, die 4 von 8 Kinder gerade an einer Magen-Darm-Infekt erkrankt wären, sie selbst gesundheitlich auch angeschlagen war, die Wäscheberge sich türmten, und zu allem Elend die Toilette defekt sei. Einfach immer alles an ihr hängen blieb und sie eben gestritten hätten, weil er nicht eingesehen hätte, dass die Spülmaschine nicht ausgeräumt wäre und das Geschirr stattdessen in der Spüle stehen würde, selbst aber nicht bereit war sie aus- und wieder einzuräumen.
Das über Jahrzehnte normal befunde deutsche Familienbild im Rollenmodell eben, Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um alles von A-Z, Mann geht arbeiten und hat damit alles getan was er zu tun hat, wurde dort aufgrund der bei der Frau unmöglichen Vereinbarkeit von Job und Familie seit dem 3. Kind gelebt.
 
Daraufhin brannte eine riesige und sehr hitzige Diskussion auf. Einige gingen soweit der Frau die Scheidung anzuraten. Andere stellten sie als undankbare *piep* dar. Andere attestierten ihr eine zum Scheitern verurteilte Ehe (Sie waren bereits seit 18 Jahren verheiratet) sie solle sich schon einmal darauf vorbereiten. Vollkommen andere verurteilten sie dafür das sie es öffentlich im Internet herumposaunte. Bei dem Forum handelt es sich um ein geschlossenes, die Menschen kennen sich untereinander nicht persönlich und keiner wohnt im gleichen Ort wie ein anderer und meinten, sie könne es dann auch gleich in die Zeitung setzen.

Aber dann rief es am Ende auch noch die "Wir haben in all den Jahren noch nie gestritten" Vertreter auf den Plan. Diese Menschen liebe ich besonders, also die in ihrer "Tü-dü-lü-alles-ist-immer-rosarot-bei-uns" Welt leben. Für mich gibt es diese Menschen nicht, denn nur Tote streiten niemals und sind immer einer Meinung. Na,ja oder in einem extremen Abhängigkeitsverhältnis das auf Furcht und Angst basiert.   

Wenn mir jemand erzählt, dass er noch nie Probleme, Streit, Auseinandersetzungen mit seinem Partner erlebt hat, dann kann ich ihm nur mein zutiefst empfundenes Mitleid aussprechen und ihm sagen: "Ihr habt nie wirklich miteinander gelebt!" Tatsächlich bin ich der Auffassung, dass eben  nicht durch das Schöne, nicht Kinder und das Einfache, sondern die Schwierigkeiten die man gemeinsam meistert, die Streitigkeiten die man überwunden hat sind es die das Band zwischen zwei Menschen stärker machen und verbindet."
Es muss beim Streit ja nicht die Stimme erhoben werden, um Auseinandersetzungen zu haben.Es gibt unendlich viele Arten eine Meinungsverschiedenheit auszufechten.

Manche schweigen auch einfach oder vermeiden gewisse Themen zukünftig auch ganz, weil es ein sehr hohes Konfliktpotenzial beinhaltet.
Andere waschen dann wiederum die Wäsche des Partners nicht mehr, noch andere laufen dann 5 Tage in den gleichen Klamotten herum, wieder ganz andere geben sich dann betont fröhlich, friedfertig und freundlich. Noch vollkommen andere vergraben sich in Arbeit, treiben dann erheblich mehr Sport, machen ewig lange Spaziergänge um wieder zu sich zu kommen oder laden sich Freunde ins Haus.
Jene kochen dann einfach das Essen was der andere absolut nicht mag. Allerhand Menschen essen dann auch sehr viel oder lassen es ganz bleiben....... und wieder vollkommen andere.... ach lassen wir das.... jeder Mensch reagiert einfach anders und für sich.

Und wenn der Mann halt den ganzen Tag arbeitet einen 8 to 5 Job ....dann wird man schnell zur Einzelkämpferin des Alltages....denn egal wo...sei es Bank, Versicherung, Behörde, Ärzte... ebenfalls 8 to 5 kann man immer alles erreichen. Nach fünf Uhr wird es schwieriger und am Wochenende sowieso. Und wenn die Kinder nun einmal am Dienstag krank werden, dann werden sie am Dienstag krank und derjenige der daheim geblieben ist kümmert sich drum. Das lässt sich eben nur schwer mit einem 8 to 5 Job verbinden....denn um fünf ist der Tag längst gelaufen. Alles wichtige ist abgehakt, egal in welchem Bereich! Ist der Partner noch im Schichtdienst oder Wechselschichtdienst dann ist es oftmals sogar noch schwieriger.
Wenn man sich in diesem Fall dann allein und im Stich gelassen fühlt, meckert, ...oder oder .... dann ist es nur allzu verständlich und jeder darf seinem Ärger und Frust auch Luft machen. Aber das bedeutet noch lange nicht das jeder der sich beschwert auch wirklich unzufrieden und kreuzunglücklich mit seinem Partner ist und lieber einen anderen hätte. Irgendjemanden muss man es doch sagen, man kann doch nicht alles nur mit sich allein ausfechten. Getreu nach dem Motto "Kein Mensch ist eine Insel" darf gehandelt werden. Da bietet es sich an, es nicht der tratschigen Nachbarin oder der Freundin mit nur einem Kind zu erzählen. Da erstere es sowieso nur durchs Dorf bringen oder zweite gar nicht erst verstehen würden.....sondern am ehesten Menschen mit einem ähnlichem Lebenskonzept. Kinderreiche Familien sind aber nach wie vor selten, auch wenn jedes 4. Kind in Deutschland mit mehr als 2 Geschwistern aufwächst.

Ich bin seit fast 23 Jahren mit meiner ersten großen Liebe zusammen, davon sind wir fast 20 Jahre verheiratet und haben 7 Kinder im Alter von 7-19 Jahren. Wir haben unsere Höhen und Tiefen, ich könnte ihn manchmal auf den Mond und noch weiter schießen...und er mich wahrscheinlich auch. Tauschen würde ich trotz all dem Ärger und Mist den wir zusammen erlebt haben, mit niemanden wollen. Gerade deshalb nicht, denn genau in diesen Momenten hat er mir gezeigt das ich mich auf ihn verlassen kann und er fest an meiner Seite steht....das wir ein Team sind das allen Widrigkeiten trotzen kann.

...zwei Menschen können nicht immer nur einer Meinung haben, egal wie innig die Beziehung auch sein mag, auch die gleiche Sichtweise auf alle Dinge des gesamten Lebens betreffend ist eher unwahrscheinlich. Würde es sich so verhalten, dann wären alle Menschen gleich und die Welt ein Einheitsbrei. Das ist aber bei Weitem nicht der Fall.

Der eine will in die Berge, der andere lieber ans Meer. (Gut, solche Probleme haben wir eher nicht, da wir vom Meer in die Berge gezogen sind und darum beides problemlos haben).
Ich denke Differenzen gibt es immer irgendwo und überall. Man sagt auch gerade, das macht eine gelebte Beziehung aus, wo sich jeder einbringt, wo man nicht immer einer Meinung ist und man Ende gemeinsam einen Weg findet,  dass alle zufrieden sind bzw. mit dem Ergebnis leben können

Mittwoch, 3. Februar 2016

Beeinflusste Eltern oder eine erstaunliche Studie


Eltern-Kind-Beziehung: Erstaunlich! Faszinierend! Unfassbar! Was Studien so alles herauszufinden vermögen. Vieles würden wir in unseren kühnsten Träumen noch nicht einmal vermuten, so auch bei dieser Studie.   


Diese  erstaunliche *klick mich ich bin der Link* Studie  fand heraus, dass das Ergebnis der Eltern-Kind-Beziehung nicht nur das stets artige und wohlerzogene Kind ist (von meinen Kindern übrigens immer „Roboter” oder „dressierte Äffchen“ genannt, die sie mir hin und wieder für ein paar Minuten vorbeischicken, wenn es ihnen mit diesen allzu viel wird), sondern dass Kinder auch ihre Eltern beeinflussen – OH WUNDER UND ÜBERRASCHUNG - WER HÄTTE DAS GEDACHT?! Ich mit Sicherheit nicht - ebenso wie alle anderen Eltern niemals - also so überhaupt niemals und gar nicht - ohne diese Studie auf solch einen abenteuerlichen Gedanken gekommen wären.
Also, meine Lieben, wie schaut es denn so bei euch aus? Welche wunderbaren, tief in Euch verborgenen Eigenschaften lernt ihr als Eltern ENDLICH an Euch kennen? Nur zu und raus mit der Sprache. (Nutzt gerne die Kommentarfunktion)

Zum Beispiel die hysterische Meckerziege, die ausflippt, wenn sich Sohn 1 drei Minuten vor dem Abmarsch beim herumkaspern die fast volle Cornflakesschüssel mit wie immer viel zu viel Milch über die komplette Montur gießt, von der komplett eingesauten Küche einmal ganz abgesehen Also, da hat man doch wirklich einmal etwas Enormes erreicht auf dem Weg zum ausgeglichenen Selbst, wenn man sich zeternd in einem Cornflake-Inferno wiederfindet. Selbstfindungstechnisch hochinteressant: „Bin das wirklich ich? ICH? IHH-ICH? Oder ist das gerade ein Mama-Klon-Krieger? Woher soll ich das denn wissen? Hat übrigens jemand den Turnbeutel mit dem einen Schuh gesehen? Und kann mal jemand nachforschen, wo der zweite ist? Könnt Ihr nicht mal auf Eure Sachen aufpassen!!! Verdammt noch mal!“

Zum Glück kommt uns hier ein weiterer essenzieller Teil der gelungenen Kindererziehung entgegen: die Abstumpfung.

Egal was Du auch machst - also gut von an der Heizung anketten, an die Tür festtackern oder gefesselt und geknebelt wie Troubadix in den Baum hängen einmal abgesehen – irgendwann wird jedes Kind - ich wiederhole - JEDES KIND sein kreatives Talent entdecken und die eben frisch gestrichene oder tapezierte Wand mit Wachsmalkreiden, Filzstiften oder Edding dekorieren. Es gibt da auch keine Möglichkeit – ich wiederhole KEINE – ABSOLUT KEINE - dieses zu verhindern. Wenn man dieses weiß, gelingt es einem, auch irgendwie cool zu bleiben (um weitere Deko-Versuche zu verhindern, solltet ihr aber bitte trotzdem so tun, als hättet ihr gerade einen Nervenzusammenbruch.)

Es gibt dann übrigens u.a. noch die Klippen „abgerollte Klopapierrolle“, „Shampooflascheninferno“, „die große Sintflut im Badezimmer“ „sinnlose Zerstörung“ und „das unauffindbare Versteck von Mamas oder Papas Uhr/Geldbeutel/Autoschlüssel o.ä. in einem Paralleluniversum“.

Liest man bei Kind 1 noch begeistert Babybrei-Kochbücher, ist man bei Kind 3 froh, dass dieses Brei kategorisch ablehnt und sich ausschließlich von (fertig gekauften und styroporartig schmeckenden) Hirsebällchen und Apfelschnitzeln ernähren will. Das ist übrigens zu dem Kind geworden, das praktisch ALLES – ich wiederhole - ALLES WIRKLICH ALL-LLL-LES! - isst, von fies riechendem Blauschimmelkäse über Rosenkohl bis hin zu weißen Bohnen. Auch das Lesen von Elternratgebern und Elterzeitschriften hat man es doch bei Kind 3 bereits aufgegeben, irgendetwas erziehen zu wollen, denn:

A. Es verhält sich sowieso komplett anders als beschrieben
B das gegenwärtige Problem wird nicht behandelt oder
C man umschifft die Klippen indem man bereits Vorsorge getroffen hat, durch u.a. Shampooflaschen sind auch mit Stuhl nicht erreichbar oder mehr als eine fast leere steht nie im Badezimmer, es befinden sich keine Toilettenpapierrollen auf Reserve im Bad, die Wasserhähne am Waschbecken sind bereits in der Wand zugedreht, so dass nur in unserem Beisein Wasser aus dem Hahn kommen kann, es ist bereits alles zerstört was sinnlos hätte zerstört werden können oder wurde gegen unzerstörbaren ausgetauscht, Mama und Papa tragen Uhr/Geldbeutel/Autoschlüssel o.ä. immer am Körper oder das Paralleluniversum ist zu einem festen und für Kinder absolut unerreichbaren Ort im Küchenschrank oder an der Wand geworden.


Dann gibt es noch die Gebetsmühle.

Also, ich sage einfach alles 1000 Mal. Ich wiederhole: ALLES – WIRKLICH ALLES. Es gibt Fälle, da bringt es etwas, in anderen Fälle ist es jedoch nach wie vor vergeblich. Ich habe meinem ältesten Sohn von Geburt an acht Jahre lang fast täglich erklärt, hinten in unserem Garten wachsen BIRKEN!!! Als das Thema im Sachkundeunterricht drankam, oh große Überraschung: „Ich habe echt keinen Plan, wie das weißumschalte Gewächs hier heißt.“ Ja, Himmelnochmal! Anscheinend bin ich hier so eine Art seltsames Hintergrund-Rauschen, ähnlich eines Kurzwellen-Radiosenders dessen Sprache aber leider keiner verstehen kann.

Selbstverständlich wurde ich freundlich, aber bestimmt daran erinnert, dass ich vor drei Jahren, als er fünf war und noch im Kindergarten war, gesagt hätte, er dürfe mit acht Jahren usw. usf. ... Außerdem hätte ich noch ausstehende Taschengeld-Schulden von VOR den Ferien in Höhe von exakt 2,50 Euro, wann ich die denn zu zahlen gedenken würde? Übrigens wäre idealerweise gleich und sofort der Fall! Sätze wie „Ahhh-haa, wieso bekommt der blöde Olli einen Bonus für Hausaufgaben in der 1. Klasse, bei mir vor vier Jahren gab es das noch nicht! Du schuldest mir dann also noch 535 KOMMA NUH-HULL-NUH-HULL Euro und Mary 267 KOMMA 50 Euro dafür! Aber natürlich NU-HUR wenn du keine ungerechte Mutter bist die ein Kind ALLEN ANDEREN vorzieht“ In diesen Momenten klappt es dann sogar erstklassig, auch sehr große Summen sogar mit Kommastellen, ratzfatz im Kopf mal zunehmen, während dieses bei erheblich kleineren Summen ohne Kommastellen und während der Hausaufgaben oder in einem Test nicht immer oder nur selten klappt.


Eine sehr schöne Art der Gebetsmühle, ist das schon krankhafte Absondern von Elternsprüchen, mit denen schon unsere Eltern ihre absolute Uncoolness unter Beweis stellten. Hier exklusiv und nur für euch - die Allerschönsten:


  • Solange Du noch Deine Füße unter meinen Tisch stellst, bestimme ich.
  • Die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie so leckeren Rosenkohl bekämen.
  • Wir meinen es doch nur gut mit Dir (und daher hast Du jetzt bis zu Deinem 18. Geburtstag Fernsehverbot o.ä.)
  • Zu meiner Zeit gab es das noch nicht!
  • Das hätte ich mich niemals getraut, soetwas zu meinen Eltern zu sagen oder überhaupt daran zu denken soetwas zu sagen. 
  • Du darfst wirklich froh sein, dass Du überhaupt Eltern hast! Sogar wenn sie so blöd sind wie wir!
  • Als ich in deinem Alter war, da (wären wir froh gewesen mit dem Fahrrad zur Schule fahren zu können, wir mussten jeden Tag mit unseren harten Holzklumpen 20 km durch den Schnee laufen um überhaupt zur Schule zu kommen o.ä.)

Und was gibt es noch? Ach ja, da wäre noch etwas.

Treten wir anfangs mit leuchtend strahlendem Baby noch voller Idealismus an, dass wir alles so viel BESSER und COOLER machen werden als alle anderen … tja, bereits nach wenigen Monaten durchwachter Nächte, vollgekotzter Bettwäsche, fiebrigen Erkältungen von furchtbaren Durchfallerkrankungen, aparten Neuentdeckungen auf dem spannenden Gebiet der Medizin wie Mundfäule, Hand-Mund-Fußkrankheit etc.,  usw. stellt sich der Tacho ein auf: DURCHKOMMEN IST ALLES! WIE HALTEN DIE ANDEREN DAS BLOSS AUS? WIE HAT DIE MENSCHHEIT ÜBERHAUPT SO LANGE ÜBERLEBEN KÖNNEN? Bis mein liebes Kind das nächste Mal für ca. 14,5 Minuten am Stück schläft, sind es noch mindestens acht Stunden, wenn nicht länger. Himmel, meine Augenringe kann ich mir mit dem Knie hochwerfen – was zur Hölle soll ich denn jetzt machen, verdammt???“

ABER: Das ist uns ja so etwas von wurscht! Sind Kinder nicht einfach nur entzückend?!

Ähhhh...wo wir gerade beim Thema sind eine kleine Frage am Rande: Woher kommen eigentlich die ganzen blöden Erwachsenen, die wir überhaupt nicht leiden können? Waren die nicht auch einmal alle entzückende Kinder? ;-)


Ist es jetzt vielleicht an der Zeit für die Generalrevision der blöden Elternsprüche?
Nein, die nehmen die Kinder ja sowieso nicht ernst – taten sie übrgens noch nie. Warum benutzen wir sie denn dann?

Ach da fällt mir ein: einen blöden Elternspruch habe ich mir doch für den Schluss aufgehoben:

„Uns hat es schließlich auch nicht geschadet!“

Dienstag, 2. Februar 2016

Walfisch Yoga und andere Verrücktheiten.....


Es gibt heutzutage ja ein gewaltiges Angebot an Kursen für zukünftige Mütter, gewordene Mütter, Mütter und Kinder, Väter und Kinder, Großeltern und Kinder, Kinder an sich, Kinder in Erwachsenen etc., von afrikanischem Trommeln über Extrem-Klöppeln bis hin zu rhythmisiertem Naturbasteln. Dies wird schon irgendeinen Sinn haben, oder?! Ich muss sagen, dass ich mit großem Genuss feststellte, dass sich mit steigender Kinderzahl das ganze Entertainment-Programm herunter reduzierte. 

Mein erster Griff in die Toilette war „Schwangeren-Yoga“ zum Ende der ersten Schwangerschaft. Also, im Gegensatz zu den euphorisch gestimmten, superfitten Supermuttis, die am Ende des 9. Monats noch problemlos den Berlin Marathon laufen und kurz nach der Geburt mit Zwillings- und Drillingskinderwagen losjoggen, war mein Zustand vergleichbar mit: gestrandeter Wal. Ich war ein Non-Free-Willy der sich sehr darüber gefreut hätte, wenn ihm im Bus einmal jemand den Platz angeboten hätte. HÄTTE....aber hey, okay wir sind hier in Deutschland, wer Kinder hat, ist selbst dran schuld, am besten lernt man es noch in der Schwangerschaft das sie ein gesellschaftlich anerkanntes reines Privatvergnügen und Luxusgut darstellen, von dem ausschließlich die Eltern, aber sonst niemand profitieren kann und sich Profit verspricht. *Muahaha*
Aber gut, auf busfahrende Wale trifft man auch in der freien Wildbahn selten einmal. Alternativ versucht man sich eben mit „Schwangeren-Yoga“ wieder halbwegs fit zu bekommen. Ich quälte mich also wie gesagt zum Wal-Yoga. Das Fazit das ich daraus zog: Es hat schon seinen Grund, warum wir bislang noch keinen Wal beim Yoga beobachten konnten.

Es folgten noch weitere Schwangerschaften: Diese bewahrten mich, durch die schon vorhandenen Kinder, vor weiteren Unsinn dieser Art. Zu weiteren Selbstversuchen war ich am Abend oft schlichtweg zu platt. Vorsichtsmaßnahmen wie „keine schweren Sachen heben“ wurden weiter eingehalten, 20 Kilo schwere KINDER und Wäschekörbe fallen ja nicht darunter. 

Louie, Kind Nr. 1, kam noch in den Genuss von „Baby-Schwimmen“, d.h. er wurde mit Mamas und Papas und anderen Kinder mit fröhlicher und teurer Rundumbespaßung pädagogisch wertvoll ans Wasser gewöhnt. Die weiteren Kind wurden von uns einfach ins Wasser geschmissen, wenn wir es denn  schafften, ins Schwimmbad oder zu einem Badesee zu fahren, was in etwa dem organisatorischen Aufwand eines mindestens dreiwöchigen Fuertaventura Urlaubs bei einem Single entspricht. Ohne Grund bauten wir während der Schwangerschaft von Kind vier nicht den L7,37m x B 3,60m x T 1,20m Pool im Garten, den ich selbst in all den Jahren aufgrund eines akuten Zeitmangels nur wenige Male genutzt habe, nachts um 2 Uhr mag auch ich nicht mehr schwimmen.

Es ist wahr, beim ersten Kind probiert man allen Kappes aus, die weiteren Kind dürfen sich dann freuen, dass den Eltern der ganze Unfug bereits ausgetrieben wurde. Als nächstes kommt das „Kinderturnen!“ Teilnehmendes Kind Louie konnte sich allerdings meist sehr beherrschen, Begleitzwerg Mary war stattdessen kaum zu bremsen, so dass das Ganze eigentlich eher in die Kategorie Mamasport „Kleinkindeinfangen“ einzuordnen ist und darum seine Berechtigung findet. Ich sauste, ich rannte, ich kletterte, ich trug, ich sang, ich spielte. Kinderturn-Kind Louie saß derweil auf der Turnbank und quittiert meinen Einsatz mit gehobenen Daumen und dem Satz "Du machst das wirklich schon ganz toll, Mama!" ....URGHS....

Das Ganze nahm dann zum Glück ein Ende, als ich zum dritten Mal schwanger war (Non-Yoga-Whale).
 

Dann war es wieder soweit. Nach guten drei Jahren Abstinenz knickte ich wieder ein. Alle guten Eltern sind sich einig: Kinder müssen schwimmen lernen. Gutes schwimmen lernen und können, hat etwas für sich.
Der Köder: Die einmalige Chance eines Kurses der immerhin 2 meiner Kinder abdeckte – ansonsten sind sämtliche Angebote altersmäßig derart filigran aufgefächert, dass es nicht möglich ist, zwei Kinder im Abstand von drei Jahren gleichzeitig irgendwo unterzubringen (oder gar ein drittes - Drittkinder sind im deutschen System sowieso nie vorgesehen, daher vergessen wir das also einmal ganz schnell und begnügen uns mit dem Jackpot.)

Meinen beiden Wasser-begeisterten Kindern verkündete ich daher sehr stolz: „Ich habe Euch zum Schwimmkurs angemeldet!“ Kind 1 maulte sofort und erklärte kategorisch, dass er für derartige Angebote nicht offen sei und strikt ablehne. Kind 2 war freundlicherweise total euphorisch, während das unbetroffene Kind 3 einen frenetischen Jubeltanz anstimmte. Ich erklärte Kind 1, dass er dort hinmüsse, komme, was da wolle. BRODEL - BRODEL  "Sei doch froh, dass Du da hindarfst!!! Jedes andere Kind an Deiner Stelle wäre froh!"BRODEL - BRODEL

Ich fühlte mich auf der Stelle um mindestens zwei Jahrzehnte jünger, als ich erfuhr, dass beim Kurs „Badekappen“ strengste Pflicht seien. BADEKAPPEN!!! Das Wort gehörte dato schon lange nicht mehr zu meinem aktiven Wortschatz! Wo sollte ich solche Fossilien nur herbekommen? Museum??? Tagesexkursion zu einem exotischen Fachgeschäft für Extremsportler? Deutsche Olympiamannchaft??? Oh Mann, zum Glück gab es aber Ebay! Die Zeit wurde knapp, der Händler hatte Lieferprobleme - ich rang panisch die Hände. Aber zum Glück kamen sie dann doch noch rechtzeitig bei uns ein. HURRA - zwei Stunden vor Beginn des Kurses. Kind 1 erklärte sofort "Die setze ich nicht auf! Das sieht schwul aus!" Kind 2 war unterdessen nur schwer davon zu überzeugen, sie erst im Schwimmbad aufzusetzen. Ich ließ sie also - es hatte mich schon all meine Überzeugungskraft gekostet, sich erst im Schwimmbad ihrer Kleidung zu entledigen.
Nach dem ersten Mal Schwimmen hatte sich die Ausgangslage umgekehrt:
Der zuvor sehr maulige Sohn  war total euphorisch, die zuvor euphorische Tochter dagegen total panisch/ängstlich/entsetzt/....ach, keine Ahnung, wie es nennen soll....sie weigerte sich schlicht.
Das hochmotivierte Teilnehmerkind 3 musste brüsk in die Schranken gewiesen werden, bitte noch zwei Jahre auf der Bank sitzen! Ich musste ihm die Badekappe von Kind 1 aus seinem eisernen Griff zwingen. Letztendlich mit eisernem Griff auf dem Arm halten, um keinen Rettungseinsatz der anwesenden DLRG Mitglieder auszulösen.

Ich meine, schön, dass mein sonst – wahrscheinlich wegen der frühen Kinderversuche mit ihm – von Kursen eher abgeneigtes Kind  1 endlich den besten Kurs seines bisherigen Lebens gefunden hatte! Ich dagegenverfeinerte die Kunst des „mit Engelszungen Redens“ bezüglich Kind  2. Mir wuchsen fast Toffifees aus den Ohren!

Der Schwimmkurs war zum Glück bald darauf vorbei, doch das nächste Unheil drohte bereits am Horizont: Die Tochter, Kind 2 wollte in den Fußballverein, was der Sohn also das Kind 1 strikt ablehnte und komplett boykottierte. OH HILFE!!!