1775 Der deutsche Arzt Melchior Weikard
beschreibt in seinem Buch „Der philosophische Arzt“ die
klassischen Symptome der Aufmerksamkeitsstörung (Mangel der
Aufmerksamkeit, Attentio Volubilis) und widmet dieser ein ganzes
Kapitel.
1798 beschreibt Sir Alexander Crichton „die
Unfähigkeit sich konstant mit einem Objekt zu befassen“ in seinem
Werk. Er vermutete eine „krankhafte Sensibilität der Nerven“.
Diese sei vielleicht angeborenen oder "Begleiteffekt einer
Krankheit". Er beobachtete, dass es Menschen mit einem Zustand
der Unruhe gibt, die im Zimmer auf und ab gehen, Dinge hin und her
schieben, aufgeregt sind, etc.. Mit seinen Beobachtungen der Unruhe
und seinen Überlegungen, wie diese zu beeinflussen sei, war Crichton
seiner Zeit voraus
1808 beschrieb Dr. Haslam, Leibarzt
Kaiser Napoleon I. ein „moralisch krankes Kind, Sklave seiner
Leidenschaften, Schrecken der Schule, Qual der Familie, Plage der
Umgebung.“
1844 entstand in Frankfurt das Buch
"Der Struwwelpeter" von dem damals praktischen Arzt und
Geburtshelfer und späteren Nervenarzt Heinrich Hoffmann Dieser
Frankfurter Arzt beschrieb aus eigener Erfahrung typische
Erscheinungsbilder hyperkinetische Kinder: den Zappelphilipp, den
fliegenden Robert, Hans guck in die Luft und den bösen Friedrich.
1845 vermutet der Berliner Psychiater
Wilhelm Griesinger erstmals, dass das Gehirn als ein „psychisches
Organ“ Funktionsstörungen haben könnte und dies als Ursache für
„psychische Krankheiten“ in Frage komme. Er führte aus, dass
Kinder, die „keinen Augenblick Ruhe halten . . . und gar keine
Aufmerksamkeit zeigen“, eine „nervöse Konstitution“ haben und
"unter einer gestörten Reaktion des Zentralorgans auf die
einwirkenden Reize" leiden würden.
1859 schreibt der Breslauer Heinrich
Neumann, ein Gegner der Gehirnpathologie von Wilhelm Griesinger, „
Solche Kinder haben etwas Ruheloses, sie sind in ewiger Bewegung,
höchst flüchtig in ihren Neigungen, unstet in ihren Bewegungen,
schwer zum Sitzen zu bringen, langsam in der Erlernung des Positiven,
aber oft blendend durch rasche und dreiste Antworten.“ Eitle Mütter
würden diesen Zustand als geistreich, besorgte Mütter als aufgeregt
bezeichnen. Er führt diese Unruhe der Kinder auf eine vorschnelle
Entwicklung zurück und bezeichnet sie als „Hypermetamorphose“
1867 rechnete der englische
Kinderpsychiater Henry Maudsley die unruhigen Kinder zur
Krankheitsgruppe des „affektiven oder moralischen Irreseins“, .
1869 brachte der amerikanische
Neurologe George Miller Beard die Bezeichnung „Neurasthenie“ für
„Zustände reizbarer Schwäche“ ins Spiel. Wegen der Zunahme von
Hektik und Hast im Zuge der industriellen Entwicklung. Beard wollte
damit eine „predominantly American societal illness“ beschreiben;
sie sei häufiger als alle anderen Nervenkrankheiten in den USA und
beruhe auf fünf bedrohlich gewordenen Außenfaktoren: Dampfkraft,
Tagespresse, Telegraf, Wissenschaften und der „mental activity of
women“ (geistigen Aktivitäten der Frauen). Später sprach er von
einer spezifischen „American nervousness“; sein Begriff der
Neurasthenie fand in der Folge weltweit Verbreitung.
1878 vermutete der deutsche
Kinderpsychiater Hermann Emminghaus (1845–1904) „Vererbung und
Degeneration“
1881 beschrieb Scherpf "das
impulsive Irresein als häufigste kindliche Seelenstörung"
1890 entwickelte der Leipziger
Psychologe Ludwig Strümpell im System einer „Pädagogischen
Pathologie oder die Lehre von den Fehlern der Kinder“. Er beschrieb
Unruhe und Unaufmerksamkeit als „konstitutionelle Charakterfehler“
und als "moral defect".
In etwa zur selben Zeit beschreibt der
amerikanische Psychologe William James in seinem Werk „The
principles of Psychology“ Menschen die besonders Probleme mit der
Impulskontrolle hatten. Er erkannte bei Betroffenen, dass sie zu
wenig über ihre Handlungen und den anschließend Konsequenzen
nachdachten und Schwierigkeiten mit der Selbstreflexion hatten.
Allerdings gelante James nicht nur zu der Ansicht, dass das
beschriebene Verhalten nur negative Folgen für die Betroffenen
hatte. Er war vielmehr davon überzeugt, dass viele Revolutionäre
und bekannte Persönlichkeiten der Geschichte diesem
Persönlichkeitstyp angehörten und erachtete darum die Impulsivität
der Betroffenen als Fähigkeit zum schnellen Reagieren und
Schlagfertigkeit.
1902 schilderte der Londoner Pädiater
Georg Frederick Still detailliert die Symptome von ADHS anhand der
Studien an 20 Kindern mit „Defects in Moral Control“. Diese
Beschreibungen der Symptome waren den heutigen Diagnosekriterien sehr
ähnlich. Zu ihnen gehörten extreme Unruhe, ständige Bewegung,
mangelnde Fähigkeit konzentriert und ausdauernd bei einer Sache zu
bleiben, Leidenschaftlichkeit und mangelnde Willenskontrolle. Diese
Kinder würden trotz "intakten Intellekts" in der Schule
versagen. Er beobachtete, dass mehr Jungen als Mädchen betroffen
seien. Diese Kinder seien durch Bestrafung nicht zu kontrollieren,
die Prognose einer Heilung sei schlecht. Vermutlich resultiere dieser
"defect of moral control" sowohl aus Vererbung als auch aus
neurologischen Ursachen, es sei also (auch) ein medizinisches Problem
und diese Kinder seien nicht einfach nur „unmoralisch“, „dumm“
oder „unerzogen“.
1908 berichtet der Berliner Pädiater
Adalbert Czerny in seinen, über Jahrzehnte hinweg immer wieder
neuaufgelegten Vorlesungen, der „Arzt als Erzieher des Kindes“
darüber das Charakter von Erziehung und Gesundheitszustand bestimmt
wird. Ein im engsten Sinne normales Kind sei erstens gut ernährt und
verfüge über ein gut trainiertes Nervensystem. Als Zwischenstufen
zwischen normalen und abnormen Kind beschreibt Czerny eine Gruppe von
Kindern mit folgenden Merkmalen „Großer Bewegungsdrang, mangelnde
Ausdauer im Spiel und bei jeder Beschäftigung, Unfolgsamkeit und
mangelhafte Konzentrationsfähigkeit der Aufmerksamkeit beim
Unterricht.“ Für ihn fallen diese Kinder in die Gruppe der „schwer
erziehbaren Kinder“ und gehörten zur „neuropathischen
Konstitution.
Aus der Psychiatrie kommt etwa zur
gleichen Zeit der Begriff der „Psychopathie“; auch hier werden
die unruhigen Kinder auf der Grenze zwischen dem Normalen und
Krankhaften eingeordnet. Diskutiert wird eine ererbte oder
intrauterin erworbene Veranlagung, die zu „angeborener
Minderwertigkeit“ führe – auch dies ist ein Stigma, mit dem
solche Kinder belastet wurden
1920er Jahre, als vermehrt Kinder an
Enzephalitis erkrankten, wurden ADHS-Symptome dieser Erkrankung
zugeordnet und es entstand der Begriff "Post-encephalitische
Verhaltensstörung"
1926 beschreibt August Homburger, ein
Wegbereiter der modernen Kinderpsychiatrie, Kinder mit erhöhter
Erregbarkeit, starker Ablenkbarkeit, ruhelosem Abwechslungsbedürfnis
und eine deutlich verminderte Konzentrationsfähigkeit. Da in den
konkreten Einzelfällen Reizüberflutung und falsche
Erziehungsmethoden die Realität des Geschehens bestimmen, müsse der
Arzt vor allem „ein erziehender Berater der Eltern sein“. Ähnlich
sehen dies zur gleichen Zeit auch Kinderärzte, wie der Karlsruher
Pädiater Franz Lust, der die Behandlung solcher Kinder in jedem
Lebensalter auch für den Arzt zu einer eher pädagogischen Aufgabe
macht.
1932 veröffentlichten Kramer und
Pollnow in der „Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie“
(Bd. 82 S. 1-40) einen umfangreichen Artikel „Über eine
hyperkinetische Erkrankung im Kindesalter“. Bereits zwei Jahre
zuvor hatten die Autoren im „Zentralblatt für die gesamte
Neurologie und Psychiatrie“ (Bd. 57, S.844–845) erstmals über
„Hyperkinetische Zustandsbilder im Kindesalter“ berichtet. Der
Artikel machte die Namen seiner Autoren für Jahrzehnte zum Inbegriff
der Hyperkinese. Das in Deutschland für mehrere Dekaden als
„Kramer-Pollnow-Syndrom“ bekannte Störungsbild beschrieben die
Ärzte mit zahlreichen Beispielen und großer Genauigkeit der
Beobachtung. Vor diesem Hintergrund wiesen die Autoren bereits vor
über 80 Jahren auf die sozialen Folgen der Symptomatik hin.
Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität waren in den
Augen von Kramer und Pollnow mehr als nur ein individueller Ausdruck
von Temperament oder kindlicher Befindlichkeit – sie waren Symptome
einer basalen Einschränkung der Anpassungsfähigkeit an die Regeln
des Zusammenlebens, sie waren eine systematische Bedingung des
Scheiterns des gestörten Einzelnen in der Gemeinschaft.
1933 werden aufgrund der
Diskriminierung, Deportation und Emigration führender Kliniker und
Wissenschaftler in Österreich und Deutschland differenzierte
Diskussionen unterbrochen. Erheblich anders ausgerichtete
Fachvertreter nehmen hier jetzt das Problem in die Hand.
1937 berichtete Dr Charles Bradley über
die hilfreiche Wirkung der Stimulanzien auf verhaltensauffällige
Kinder. In den Jahren nach der ersten Beschreibung Bradleys befassten
sich anfangs Kinderärzte und Kinderpsychiater, später
Kinderpsychologen mit diesem Krankheitsbild. Es fand erst in den USA,
später über Neuseeland, Holland, England und Skandinavien
Beachtung. In Deutschland erschienen die ersten Berichte Mitte der
60er Jahre. Dann allerdings zahlreiche Publikationen; allein im
deutschsprachigem Raum 1965 bis 1985 über 250 Arbeiten, die sich
ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen von medizinischer,
psychologischer und pädagogischer Seite.
1939 erklärt der Wiener Ordinarius für
Kinderheilkunde Franz Hamburger die Unruhe der Kinder schlicht zu den
neurotischen Unarten, gegen die man „einschreiten“ müsse;
Therapieziel sei die Erlangung eines „freudigen Gehorsams“ beim
Kind. Man könne den Eltern darum nicht genug empfehlen, „ihre
Kinder vom elften Jahre an in die Hitler-Jugend zu geben. Die meisten
Kinder verlieren ihre Neurosen, wenn sie den Betrieb in der HJ
mitmachen.“
1954 kam Ritalin zum ersten Mal in
Deutschland auf den Markt.
1957 vermutete Maurice Laufer die
Ursache in einem Defizit des Zentralnervensystems. Seiner Theorie
zufolge filtern die thalamitischen Gehirnregionen zu wenig
Stimulation heraus, so dass das Gehirn von Eindrücken überschwemmt
wird. Betroffenen Kindern wurden spezielle, reiz- und ablenkungsarme
Klassenzimmer zur Verfügung gestellt.
1960-1970iger Jahre wurde überwiegend
angenommen, dass es sich bei ADHS um eine "leichte frühkindliche
Hirnschädigung" handle, es entstanden Begriffe wie "Minimal
cerebral Dysfunction" (MCD) Psychoorganisches Syndrom (POS) vor
allem im Schweizer Raum, in Deutschland wurde der Begriff MCD
(Minimale cerebrale Dysfunktion) übernommen.
Diese Bezeichnung erwies sich als
problematisch, da erkannt wurde, dass viele Kinder ohne Anzeichen von
Hirnschädigungen auch Symptome von ADHS zeigten, der Begriff "Brain
Damage" schien also nicht angemessen zu sein. In den 1970er
Jahren wurden gleichzeitig mehrere Symptome erkannt, die zusammen mit
Hyperaktivität auftraten. Dazu gehörten Impulsivität, Mangel an
Konzentration, Tagträumen und die fehlende Fokussierung auf eine
Aufgabe
1968 wurde die "Hyperkinetische
Reaktion der Kindheit" in den DSM-II (1968) aufgenommen, obwohl
sich die Fachleute dessen bewusst waren, dass viele der
diagnostizierten Kinder Aufmerksamkeitsstörungen ohne irgendwelche
Anzeichen von Hyperaktivität hatten
1978 wird in der ICD-9 das
hyperkinetische Syndrom des Kindesalters zum ersten Mal als
eigenständiges Krankheitsbild benannt.
1980 führte das DSM-III den Begriff
"ADD" (Attention-Deficit Disorder) mit oder ohne
Hyperaktivität ein. Die Terminologie ADD wurde mit der Revision im
Jahr 1987 auf ADHS im DSM-III-R geändert. Erstmalig wird auch das
Persistieren der Symptome bis ins Erwachsenenalter als „ADD
Residual Type“ erfasst
1984 beschrieb Viriginia Douglas ein
Problem der Selbstregulation mit zu wenig Daueraufmerksamkeit und
Anstrengungsbereitschaft und schuf den Namen "Attention Deficit
Disorder", dieser wurde im Jahre 1980 von der American
Psychiatric Association festgelegt und
1985 veröffentlichte der Kinderarzt
Dr. Walter Eichlseder in München das erste deutschsprachige Buch zu
ADHS: „Unkonzentriert? Hilfen für Hyperaktive Kinder und Eltern“.
1987 wird ADD in "Attention
Deficit Disorder Hyperactive" erweitert. Die American
Psychiatric Association postulierte, dass ADHS eine medizinische
Diagnose sei und kein rein psychisches Problem, dass aber ADHS zu
Verhaltensproblemen führen könne.
1992 kann die Diagnose hyperkinetisches
Syndrom im ICD-10 auch im Erwachsenenalter gestellt werden. „Die
Kriterien sind dieselben, jedoch müssen Aufmerksamkeit und Aktivität
anhand entwicklungsmäßig angemessener Normen beurteilt werden.“
1994 wurde im DSM-IV erstmals
ADHS-Subtypen vorgestellt. In Deutschland sind weiterhin die wenig
realitätsnahen Kriterien des ICD-X zur Diagnose von ADHS gültig.
1996 nannte R. Barkley ADHS eine:
„Entwicklungsstörung der Selbstkontrolle“.
1997/99 wurde im Auftrag des
Kultusministeriums München ein Film und eine Handreichung für
Lehrer entwickelt: „Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder im
Unterricht“.
1998 veröffentlichten Droll,
Krause/Krause und Trott die erste Leitlinie für Erwachsene: „ADHD
im Erwachsenenalter“
2002 wurde das „Eckpunktepapier des
BMGS“ erarbeitet und
2003 wurde ADHS bei Erwachsenen in
Deutschland offiziell anerkannt.
2005 wurde die Stellungnahme des
wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer zu ADHS
veröffentlicht.
2011 erhielt Medikinet adult, nachdem
Metylphenidat lange Zeit off-label verordnet wurde, die Zulassung in
Deutschland zur Behandlung Erwachsener Menschen mit ADHS. Erst in den
1990er Jahren war zunehmend ein Bewusstsein dafür gewachsen, dass
ADHS keine Störung des Kindesalters ist, sondern ein Leben lang
fortbesteht, auch wenn die "Hyperaktivität", also die
deutliche äußere motorische Unruhe, in der Pubertät zurück ginge.
Im Kern bleibt die ADHS-typische Problematik, wie Dr. Russel Barkley
sie beschreibt, jedoch bestehen. So hat sich Methylphenidat auch im
Erwachsenenalter als Medikament der Wahl etabliert. Die Diagnostik
bei Erwachsenen bewies sich aufgrund hinzugekommener komorbiden
Störungen häufig als schwierig, da die eigentliche Symptomatik des
ADHS hierdurch maskiert werden.
2013 Im DSM-V wird ADHS als ein "Muster
von Verhaltensstörungen und kognitiven Funktionsstörungen"
beschrieben, außerdem werden die verschiedenen Erscheinungsformen
von ADHS sowie das Fortbestehen der Symptomatik im Erwachsenenalter
mit in die Diagnose einbezogen.
Mittlerweile ist die Anzahl der
Veröffentlichungen, aus allen Teilen der Welt, so groß, dass eine
Literaturrecherche (nur bei namhaften wissenschaftlichen Blättern)
jeden Monat ca. 200-300 Arbeiten erfasst.
Unter ganz
verschiedenen Namen wurden bisher von verschiedenen Autoren Kinder
und Jugendliche mit sehr ähnlichen Problemen beschrieben. Abzugrenzende Begriffe:
Kramer-Pollnow-Syndrom: in Deutschland
über mehrere Dekaden bekanntes Störungsbild.
MCD: Minimale
cerebrale Dysfunktion war lange Zeit eine typische Bezeichnung
MBD: Minimal Brain Dysfunction/Damage
POS: Psycho - organisches Syndrom in
der Schweiz üblich
HKS: Hyperkinetisches Syndrom in ICD 9
ADDS: Attention Defizit Disorder
Syndrom mit / ohne Hyperaktivität und Sozialstörungen war in den
USA lange Zeit üblich
Benutzt wurden von verschiedenen Fach-
und Berufsgruppen:
Hirnfunktionsstörung, Partielle
Hirnreifungsstörung, Hirnorganisches Psychosyndrom,
Teilleistungsstörung, Minimale cerebrale
Bewegungsstörung,Hyperaktive Kinder, Ungeschickte Kinder,
Aufmerksamkeitsgestörte Kinder, Kinder mit besonderem Förderbedarf,
Schwerkraftverunsicherte Kinder, schwererziehbare Kinder, Unerzogene
Kinder, sozialgeschädigte Kinder, ...
Lediglich Teilaspekte der Störung
umfassen diese Namen und sind nicht identisch, aber in großen
Bereichen überschneiden sie sich. Heute gilt ADHS
(Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) in Deutschland
und ADHD (Attention-Defizit-Hyperactivity-Disorder) im
englischsprachigen Raum als die korrekte Bezeichnung (DSM IV/V)
Gute 180 Jahre vor Einführung von
Ritalin auf dem deutschen Markt wird über die typischen Symptome der
ADHS berichtet, referiert, geforscht, dieses ganz besonders in
Deutschland. Und wie oben bereits angemerkt, wussten schon die
Mediziner der alten Griechen und auch der Römer darüber etwas zu
erzählen und versuchten bereits zu helfen und behandeln. Mit
Sicherheit sind diese Forschungen und Berichte über den Vorwurf
erhaben „Handlanger der Pharmakonzerne“ zu sein.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr
2016, seit WeikardsBeschreibungen im Jahre 1775 sind genau 241 Jahre
vergangen. Bei ADHS handelt es sich, unter Berücksichtigung der
historischen Fakten, also mit Sicherheit nicht um eine
Modeerscheinung unserer Zeit, sondern um die Erkenntnis eines
Problems, das erst sehr spät in unser gesellschaftliches Bewusstsein
vorgedrungen ist.
In früheren Zeiten, stand als erstes
im Leben eines Kindes das Überleben selbst im Vordergrund, aus
diesem Grund waren derartige Probleme also erst einmal nicht so
wichtig und absolut nachrangig. Entweder fielen die Schwierigkeiten
z.B. in großen Familien nicht so sehr ins Gewicht oder die Kinder
galten eben als schwarze Schafe der Familie, ohne dass man die
Ursachen ihres Versagens hinterfragt hätte. Nicht außer acht
gelassen werden darf, die Veränderung der gesellschaftlichen
Struktur, die Errungenschaften der Wissenschaft und natürlich:
Veränderungen im Gesundheitssystems, welches in Deutschland Ende der
1960iger Jahre Psychotherapie nicht als Kassenleistung vorsah und von
den betroffenen Personen allein getragen werden mussten. Hinzu kommt
das hierzulande körperliche Züchtigung und seelische Grausamkeiten über
Jahrzehnte hinweg als natürliches Erziehungsmittel galten. „Wer
sein Kind liebt, züchtigt ist“ war eine Maxime die auch in den
späten 1990iger Jahren nach wie vor Gültigkeit in Deutschland besaß
und auch heute noch in weiten Teilen der Bevölkerung besitzt. Des
weiteren hat sich die gesellschaftliche Struktur in den vergangenen
30 Jahren erheblich verändert, sie ist durchlässiger und homogener
geworden. Die Herkunft eines Menschen entscheidet nicht mehr zwingend
darüber, was eines Tages aus ihm wird. In der heutigen Zeit
aber, eine Zeit der gezielten Förderung der wenigen Kinder, einer
Geburtenrate von 1,4 Kinder pro Familie und natürlich der bewussten
Elternschaft, ist diese Störung aber tatsächlich erst richtig ins
Bewusstsein der Gesellschaft gerückt worden.Wenn man sich als Eltern
oder Lehrer in hohem Maß um die optimale Entwicklung eines Kindes
bemüht, ist es verständlicherweise recht frustrierend, wenn das
Kind den in ihn gesetzten Erwartungen in seinen Möglichkeiten und
seinem eigentlichem geistigen Potenzial nicht gerecht wird.
Es erscheinen immer wieder Artikel die
alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, Untersuchungen und die lange
Historie ignorieren wie auch leugnen. Sehr oft wird mit
Propagandaparolen aufgetrumpft, hier ist dann die Rede von: „Pillen
statt Erziehung“, eine „Pille gegen eine erfundene Krankheit“,
es wären„90 % der ADHS-Diagnosen falsch“, ADHS ist eine
„fabrizierte Erkrankung“ Metylphenidat wäre ein „Goldesel für
die Pharmaindustrie“ und „macht psychisch abhängig“, weil
„wenn Paul die Tablette vergisst, kommt er von der dritten Stunde
an nicht mehr mit.“ Wahrscheinlich macht Methylphendat genauso wie
Insulin psychisch abhängig, denn ohne sein Insulin trübt der
Diabetiker zunehmend ein, er kommt dann auch nicht mehr mit. Man
schreckt auch nicht davor zurück tote Menschen wie Leon Eisenberg
für diese Kampagnen zu mißbrauchen, dabei dann geschichtliche
Tatsachen und Fakten kurzerhand zu verdrehen. Leon Eisenberg ist
weder der Erfinder noch der Vater von ADHS, er setzte sich lediglich
wie viele andere Menschen jener Zeit dafür ein, dass dieses
Störungsbild im DSM aufgenommen und damit offizielle Krankheit
anerkannt wird. Nur offizielle Krankheiten dürfen und werden
therapiert, es verpflichtet zudem Krankenversicherungen diese Kosten
zu übernehmen. Bei nicht anerkannten Störungen und Krankheiten
findet keinerlei Kostenübernahme seitens der Versicherer statt und
der Betroffene muss selbst für diese aufkommen. Was eine erhebliche
Diskriminierung und Benachteiligung der "weniger verdienenden"
Bevölkerung darstellt. Nur wenige könnten sich diese Kosten leisten
und der Großteil würde darauf verzichten. Dieses hätte verheerende
gesellschaftliche Folgen. Er hat des weiteren nicht auf dem Totenbett
gestanden, dass es ADHS nicht geben würde, sondern das es sich dabei
um eine unglückliche Bezeichnung handelnt würde: ADHS sei kein
Defizit der Aufmerksamkeit sondern ein zu viel der Aufmerksamkeit.
Auch nannte er es lediglich „ein Paradebeispiel für fabrizierte
Krankheiten“ und meinte damit jene Diagnosen die zu schnell
getroffen würden, ohne dass das soziale Umfeld des Kindes
einzubeziehen. Soziale Elemente, Ernährung, mögliche traumatische
Erlebnisse, Erziehungsstil und Lebensgestaltung der Eltern würden
dabei keine Beachtung finden und oft nicht berücksichtigt.
Logischerweise stellt Methylphenidat keine Hilfe für
sozialgeschädigte oder traumatisierte Kinder oder gar kulturell
bedingten Auffälligkeiten dar.
Viele diese Kampagnen sind ein herber
Schlag ins Gesicht der Eltern, die dringend Hilfe für ihre von
dieser Störung und darunter leidenden Kinder brauchen und suchen.
Aber ganz besonders für die Kinder selbst, die aufgrund der Störung
unter sozialer Ausgrenzung, täglicher Abwertungserfahrungen durch
Mitmenschen, als dumm und asozial abgestempelt werden, ihres Lebens
überdrüssig werden, ...etc. etc.pp. Gleichzeitig ist es auch für
diejenigen, die sich um Hilfen und Perspektiven bemühen und
einsetzen.
Es handelt sich bei diesen Artikeln und
Kampagnen zudem selten um eine konstruktive Kritik, denn außer
Verunglimpfungen von Eltern, Kindern und Erziehern bieten sie
keinerlei Lösungen an oder tragen auch nur im Ansatz zu einer
Lösung, der vielfältigen Schwierigkeiten und Probleme unter die
diese Kinder zu leiden haben, bei. Außer acht gelassen werden bei
diesen Diskussionen zudem der oftmals jahrelange große
Leidensdruck der Kinder, welcher durch die Gesellschaft, einem
starren und einseitigem Schulsystem, erhöhtem Leistungsdruck und ein
erhöhtes Ruhebedürfnis erwachsener Menschen resultieren.
Der
Griff zu Methylphenidat stellt in den meisten Fällen, immer noch das
Mittel der letzten Wahl bzw. letzten Instanz dar. Es kommt erst dann
zum Einsatz, wenn alle anderen Möglichkeiten wie
Ergotherapie, Verhaltenstherapie, Ernährungsumstellung,
Umstrukturierung des Alltags, etc. etc.pp ausgeschöpft und keinerlei
Wirkung oder Verbesserung zeigen. Verantwortungsvolle
Erziehungsberechtigte und gewissenhafte Fachärzte scheuen
überwiegend den sofortigen Griff nach Methylphenidat. Zudem erhält
nicht jedes Kind mit der Diagnose ADS/ADHS automatisch den Wirkstoff
Methylphenidat.
Des weiteren handelt sich bei den
Präperaten mit diesem Wirkstoff auch nicht um eine sog.
„Intelligenzhebepille“. Entweder ist Intelligenz vorhanden oder
sie ist es nicht, eine Tablette wie Ritalin, Medikinet, Concerta, um
nur drei der Präperate zu nennen, ändert daran auch nichts. Das
einzige was sie bewirkt ist lediglich die Tatsache, dass die
Intelligenz in vollem Umfang wie sie vorhanden ist genutzt werden
kann. Es ist auch keine "Abschaltpille", "Liebmachpille" "Ruhigstellpille" oder oder oder....die Begrifflichkeiten der ADHS-Verleugner sind mir leider nicht alle zur Gänze geläufig.
Man kann lediglich sagen:
In einem Berg in dem kein Gold ist,
findet auch ein passionierter Goldgräber, selbst mit den tollsten
und modernsten Gerätschaften und egal wie tief er auch bohren mag,
keines. In Menschen mit ADS/ADHS liegen aber zahlreiche verborgene
Schätze und es ist in ihnen oftmals erheblich mehr pures Gold zu
finden, als in nicht davon betroffenen Menschen. Es wäre also eine
wahrhafte Schande und Sünde sie nicht zu Tage zu fördern und
weiterhin im Verborgenen verkümmern zu lassen. Jeder hat ein
natürliches Recht darauf Hilfe zu erhalten aber auch glänzen und
strahlen zu dürfen, egal in welchem Bereich auch immer. Einem
Menschen mit amputierten Bein würde mit Sicherheit auch niemand
seine Prothese wegnehmen oder einem Diabetiker sein Insulin oder
einem Herzkranken sein Herzmittel.