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Dienstag, 14. Mai 2013

Mein Feind ist mein Gast!


Für patriarchale Menschen ist “das andere” der Feind, aber auch sie waren sich immer bewusst oder im klaren darüber, dass auch sie in gewissen Situationen mit anderen auskommen mussten. In Notlagen, oder wenn man etwas erhandeln wollte, blieb trotz dem Verlust des Vertrauens und eingeprägtem Misstrauen nichts anders übrig, als sich zusammenzutun.
Dieses geschah üblicherweise durch ein gemeinsames Mahl, dem Zeichen dafür, dass man sein Essen zu teilen bereit war. Dazu muss man zurück in die Zeiten, wo es nicht solch einen überschraubten Wohlstand gab wie in der heutigen westlichen Welt. Als die Zeiten durch Hungersnöten aufgrund von Missernten, Kriege etc. gekennzeichnet waren und täglich viele Kinder, Kranke und Alte dem Hunger zum Opfer fielen (wie es auch heute in weiten Teilen der Erde leider immer noch der Fall ist. Das Recht des Stärkeren und dem Mangel an Bereitschaft miteinander das tägliche Brot zu teilen.) Ein Gastmahl ist für patriarchale Menschen wie ein Sprung über den eigenen Schatten, auch wenn sich dieses nach so langer Zeit nicht mehr so anfühlt.

Gastfreundschaft ist auch als ein Vorschuss, ein Kredit zu verstehen. Der Gast bleibt etwas schuldig, bis er sich durch eine Gegeneinladung oder einen Gefallen revanchiert hat.
Das Wort Gastfreundschaft bedeutet “Feinde dulden” und kann nur auf einem Geschäft der Wechselseitigkeit beruhen (Reziprozität). Mit Fremden, die nichts zu bieten haben, braucht man das Mahl nicht zu teilen (für diese gibt es den Almosen, das eine eigene patriarchale Funktion besitzt).
Schauen wir uns die etymologische (sprachliche) Herkunft der beiden Worte “Freund” und “Gast” an, dann wird die Bedeutung klar:

Gast
Aus der indogermanischen Wurzel ghosti-s gingen u.a.
germanisch = gasti,
altnordisch = gestr,
altenglisch = giest oder altfranzösich =jesthervor
alle bedeuten “Fremdling”.
Lateinisch hostis heißt “Fremdling, Feind, besonders Kriegsfeind”.
Damit ist der Gast also “das Andere”, der Fremdling und Feind.
Das Gegenstück zum Gast, ist der Gastfreund oder der Gastgeber (engl.host), der dem Fremden/Feind ein ‘Gastmahl’ gibt. Sozusagen der „Freund des Feindes“ oder „Der dem Feind gibt“

Deutlicher noch im Englischen:
host = “Gastgeber”,
hostile = “feindlich”,
hospital,hospitality = “Gastfreundschaft”,
hostage = „Geisel, Gefangener, Häftling”.

Freund

“Freund, Friede und frei” gehen auf die gemeinsame indogermanische Wurzel „pri-“zurück, Das „p“ wurde dabei im Laufe der Zeit zu einem „f“
pri- bedeutet “nahe, bei” in dem Sinn von “das gegenseitige Behandeln wie innerhalb der Sippe”.
Also letztlich Geschwister im Geiste und Herzen, nur nicht vom Blute. Gleich wie wir.

germanisch fridu- =“Friede”,
gotisch gafridon heißt “versöhnen”,
altenglisch friond, freond, friend “Freund”,
althochdeutsch fridu = “Friede”.
Aber “nahe, bei” ist auch der/die Geliebte;
indogermanische Vorsilbe priy-a“Geliebte/r”,
germanisch frijjo = “Geliebte, Ehefrau”,
altnordisch frigg, frija, das Wort kennen wir als Namen der nordischen Göttin, der Geliebten bzw. Ehefrau des Gottes Odin.
Verwandt damit sind auch freien, Einfriedung, Freude.

Man bedenke bitte: Eine Einfriedung ist im Frieden selbstverständlich und vollkommen deplatziert. Wenn man aber Angst hat, wie unsere Vorfahren sie beständig hatten, bedeutet sie Sicherheit – so wie der Burgfried.
Begriffe, besonders abstrakte, lassen sich in patriarchaler Verwendung sehr häufig gegensätzlich interpretieren (Pervertierung, kein Sprach-Konsens).
Noch deutlicher ist der patriarchale Gedanke, das alle anderen Menschen "das andere" (=Feinde) sind, im Russischen ausgedrückt: друг (drug) 'der Freund' ist abgeleitet von другой (drugoj) 'der Andere
In Nicht-patriarchalen Gesellschaften hingegen bedeuten sie für alle das Gleiche. Wo kein Sprach-Konsens herrscht ist das Zusammenleben schwierig bis chaotisch.

Wir laden also unsere “Feinde” "die anderen" "die uns nicht gleichen" zu einem feinen Essen ein. Wir bieten ihnen unsere Gastfreundschaft an. Wir dulden sie. Sie sind das kleinere von zwei Übeln.
Logischerweise sind nächstes Mal sie dran, aber das versteht sich von selbst. Wir vergessen natürlich auch nicht, die silbernen Löffel vor und nach ihrem Besuch zu zählen! Wir wissen schon, warum....!!! ;-)))

Ist ein Freund zum Essen eingeladen, dann ist er kein Gast sondern wie ein Mitglied der Sippe, das "Gleiche" wie wir. 

Haben wir einen Gast zum Essen eingeladen, dann ist er ein Feind den wir für unsere Zwecke gewinnen oder auf unsere Seite ziehen wollen, aber er ist das oder der "Andere".
Laden wir einen „Feind, Gast“ oder laden wir unseren “Freund” ein?
Aber wo liegt die Grenze zwischen Freund und Feind?
Heute liegen sie ganz genau an derselben empfindlichen Stelle, wo sie bei unseren indogermanischen Vorfahren auch schon lag: beim Besitz.

Der Volkmund weiß auch noch heute:
Bei Geld hört die Freundschaft auf

Stellen sich jetzt nur noch die beiden Fragen:
Wie viele Menschen  laden tatsächlich "GÄSTE" auf ein Essen ein?
Wie viele Menschen laden tatsächlich "FREUNDE" auf ein Essen ein? ;-))))

Nun, ich für meinen Teil werde ab sofort zu meiner Freundin nicht mehr sagen "Sei hier Gast!" oder "Wir haben gerne einmal Gäste zu Besuch"
Nein, ich will nicht das sie hier "Feind" ist und wir haben nicht gerne einmal "Feinde" zu Besuch. Definitiv nicht.


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