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Mittwoch, 3. Februar 2016

Beeinflusste Eltern oder eine erstaunliche Studie


Eltern-Kind-Beziehung: Erstaunlich! Faszinierend! Unfassbar! Was Studien so alles herauszufinden vermögen. Vieles würden wir in unseren kühnsten Träumen noch nicht einmal vermuten, so auch bei dieser Studie.   


Diese  erstaunliche *klick mich ich bin der Link* Studie  fand heraus, dass das Ergebnis der Eltern-Kind-Beziehung nicht nur das stets artige und wohlerzogene Kind ist (von meinen Kindern übrigens immer „Roboter” oder „dressierte Äffchen“ genannt, die sie mir hin und wieder für ein paar Minuten vorbeischicken, wenn es ihnen mit diesen allzu viel wird), sondern dass Kinder auch ihre Eltern beeinflussen – OH WUNDER UND ÜBERRASCHUNG - WER HÄTTE DAS GEDACHT?! Ich mit Sicherheit nicht - ebenso wie alle anderen Eltern niemals - also so überhaupt niemals und gar nicht - ohne diese Studie auf solch einen abenteuerlichen Gedanken gekommen wären.
Also, meine Lieben, wie schaut es denn so bei euch aus? Welche wunderbaren, tief in Euch verborgenen Eigenschaften lernt ihr als Eltern ENDLICH an Euch kennen? Nur zu und raus mit der Sprache. (Nutzt gerne die Kommentarfunktion)

Zum Beispiel die hysterische Meckerziege, die ausflippt, wenn sich Sohn 1 drei Minuten vor dem Abmarsch beim herumkaspern die fast volle Cornflakesschüssel mit wie immer viel zu viel Milch über die komplette Montur gießt, von der komplett eingesauten Küche einmal ganz abgesehen Also, da hat man doch wirklich einmal etwas Enormes erreicht auf dem Weg zum ausgeglichenen Selbst, wenn man sich zeternd in einem Cornflake-Inferno wiederfindet. Selbstfindungstechnisch hochinteressant: „Bin das wirklich ich? ICH? IHH-ICH? Oder ist das gerade ein Mama-Klon-Krieger? Woher soll ich das denn wissen? Hat übrigens jemand den Turnbeutel mit dem einen Schuh gesehen? Und kann mal jemand nachforschen, wo der zweite ist? Könnt Ihr nicht mal auf Eure Sachen aufpassen!!! Verdammt noch mal!“

Zum Glück kommt uns hier ein weiterer essenzieller Teil der gelungenen Kindererziehung entgegen: die Abstumpfung.

Egal was Du auch machst - also gut von an der Heizung anketten, an die Tür festtackern oder gefesselt und geknebelt wie Troubadix in den Baum hängen einmal abgesehen – irgendwann wird jedes Kind - ich wiederhole - JEDES KIND sein kreatives Talent entdecken und die eben frisch gestrichene oder tapezierte Wand mit Wachsmalkreiden, Filzstiften oder Edding dekorieren. Es gibt da auch keine Möglichkeit – ich wiederhole KEINE – ABSOLUT KEINE - dieses zu verhindern. Wenn man dieses weiß, gelingt es einem, auch irgendwie cool zu bleiben (um weitere Deko-Versuche zu verhindern, solltet ihr aber bitte trotzdem so tun, als hättet ihr gerade einen Nervenzusammenbruch.)

Es gibt dann übrigens u.a. noch die Klippen „abgerollte Klopapierrolle“, „Shampooflascheninferno“, „die große Sintflut im Badezimmer“ „sinnlose Zerstörung“ und „das unauffindbare Versteck von Mamas oder Papas Uhr/Geldbeutel/Autoschlüssel o.ä. in einem Paralleluniversum“.

Liest man bei Kind 1 noch begeistert Babybrei-Kochbücher, ist man bei Kind 3 froh, dass dieses Brei kategorisch ablehnt und sich ausschließlich von (fertig gekauften und styroporartig schmeckenden) Hirsebällchen und Apfelschnitzeln ernähren will. Das ist übrigens zu dem Kind geworden, das praktisch ALLES – ich wiederhole - ALLES WIRKLICH ALL-LLL-LES! - isst, von fies riechendem Blauschimmelkäse über Rosenkohl bis hin zu weißen Bohnen. Auch das Lesen von Elternratgebern und Elterzeitschriften hat man es doch bei Kind 3 bereits aufgegeben, irgendetwas erziehen zu wollen, denn:

A. Es verhält sich sowieso komplett anders als beschrieben
B das gegenwärtige Problem wird nicht behandelt oder
C man umschifft die Klippen indem man bereits Vorsorge getroffen hat, durch u.a. Shampooflaschen sind auch mit Stuhl nicht erreichbar oder mehr als eine fast leere steht nie im Badezimmer, es befinden sich keine Toilettenpapierrollen auf Reserve im Bad, die Wasserhähne am Waschbecken sind bereits in der Wand zugedreht, so dass nur in unserem Beisein Wasser aus dem Hahn kommen kann, es ist bereits alles zerstört was sinnlos hätte zerstört werden können oder wurde gegen unzerstörbaren ausgetauscht, Mama und Papa tragen Uhr/Geldbeutel/Autoschlüssel o.ä. immer am Körper oder das Paralleluniversum ist zu einem festen und für Kinder absolut unerreichbaren Ort im Küchenschrank oder an der Wand geworden.


Dann gibt es noch die Gebetsmühle.

Also, ich sage einfach alles 1000 Mal. Ich wiederhole: ALLES – WIRKLICH ALLES. Es gibt Fälle, da bringt es etwas, in anderen Fälle ist es jedoch nach wie vor vergeblich. Ich habe meinem ältesten Sohn von Geburt an acht Jahre lang fast täglich erklärt, hinten in unserem Garten wachsen BIRKEN!!! Als das Thema im Sachkundeunterricht drankam, oh große Überraschung: „Ich habe echt keinen Plan, wie das weißumschalte Gewächs hier heißt.“ Ja, Himmelnochmal! Anscheinend bin ich hier so eine Art seltsames Hintergrund-Rauschen, ähnlich eines Kurzwellen-Radiosenders dessen Sprache aber leider keiner verstehen kann.

Selbstverständlich wurde ich freundlich, aber bestimmt daran erinnert, dass ich vor drei Jahren, als er fünf war und noch im Kindergarten war, gesagt hätte, er dürfe mit acht Jahren usw. usf. ... Außerdem hätte ich noch ausstehende Taschengeld-Schulden von VOR den Ferien in Höhe von exakt 2,50 Euro, wann ich die denn zu zahlen gedenken würde? Übrigens wäre idealerweise gleich und sofort der Fall! Sätze wie „Ahhh-haa, wieso bekommt der blöde Olli einen Bonus für Hausaufgaben in der 1. Klasse, bei mir vor vier Jahren gab es das noch nicht! Du schuldest mir dann also noch 535 KOMMA NUH-HULL-NUH-HULL Euro und Mary 267 KOMMA 50 Euro dafür! Aber natürlich NU-HUR wenn du keine ungerechte Mutter bist die ein Kind ALLEN ANDEREN vorzieht“ In diesen Momenten klappt es dann sogar erstklassig, auch sehr große Summen sogar mit Kommastellen, ratzfatz im Kopf mal zunehmen, während dieses bei erheblich kleineren Summen ohne Kommastellen und während der Hausaufgaben oder in einem Test nicht immer oder nur selten klappt.


Eine sehr schöne Art der Gebetsmühle, ist das schon krankhafte Absondern von Elternsprüchen, mit denen schon unsere Eltern ihre absolute Uncoolness unter Beweis stellten. Hier exklusiv und nur für euch - die Allerschönsten:


  • Solange Du noch Deine Füße unter meinen Tisch stellst, bestimme ich.
  • Die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie so leckeren Rosenkohl bekämen.
  • Wir meinen es doch nur gut mit Dir (und daher hast Du jetzt bis zu Deinem 18. Geburtstag Fernsehverbot o.ä.)
  • Zu meiner Zeit gab es das noch nicht!
  • Das hätte ich mich niemals getraut, soetwas zu meinen Eltern zu sagen oder überhaupt daran zu denken soetwas zu sagen. 
  • Du darfst wirklich froh sein, dass Du überhaupt Eltern hast! Sogar wenn sie so blöd sind wie wir!
  • Als ich in deinem Alter war, da (wären wir froh gewesen mit dem Fahrrad zur Schule fahren zu können, wir mussten jeden Tag mit unseren harten Holzklumpen 20 km durch den Schnee laufen um überhaupt zur Schule zu kommen o.ä.)

Und was gibt es noch? Ach ja, da wäre noch etwas.

Treten wir anfangs mit leuchtend strahlendem Baby noch voller Idealismus an, dass wir alles so viel BESSER und COOLER machen werden als alle anderen … tja, bereits nach wenigen Monaten durchwachter Nächte, vollgekotzter Bettwäsche, fiebrigen Erkältungen von furchtbaren Durchfallerkrankungen, aparten Neuentdeckungen auf dem spannenden Gebiet der Medizin wie Mundfäule, Hand-Mund-Fußkrankheit etc.,  usw. stellt sich der Tacho ein auf: DURCHKOMMEN IST ALLES! WIE HALTEN DIE ANDEREN DAS BLOSS AUS? WIE HAT DIE MENSCHHEIT ÜBERHAUPT SO LANGE ÜBERLEBEN KÖNNEN? Bis mein liebes Kind das nächste Mal für ca. 14,5 Minuten am Stück schläft, sind es noch mindestens acht Stunden, wenn nicht länger. Himmel, meine Augenringe kann ich mir mit dem Knie hochwerfen – was zur Hölle soll ich denn jetzt machen, verdammt???“

ABER: Das ist uns ja so etwas von wurscht! Sind Kinder nicht einfach nur entzückend?!

Ähhhh...wo wir gerade beim Thema sind eine kleine Frage am Rande: Woher kommen eigentlich die ganzen blöden Erwachsenen, die wir überhaupt nicht leiden können? Waren die nicht auch einmal alle entzückende Kinder? ;-)


Ist es jetzt vielleicht an der Zeit für die Generalrevision der blöden Elternsprüche?
Nein, die nehmen die Kinder ja sowieso nicht ernst – taten sie übrgens noch nie. Warum benutzen wir sie denn dann?

Ach da fällt mir ein: einen blöden Elternspruch habe ich mir doch für den Schluss aufgehoben:

„Uns hat es schließlich auch nicht geschadet!“

Dienstag, 2. Februar 2016

Walfisch Yoga und andere Verrücktheiten.....


Es gibt heutzutage ja ein gewaltiges Angebot an Kursen für zukünftige Mütter, gewordene Mütter, Mütter und Kinder, Väter und Kinder, Großeltern und Kinder, Kinder an sich, Kinder in Erwachsenen etc., von afrikanischem Trommeln über Extrem-Klöppeln bis hin zu rhythmisiertem Naturbasteln. Dies wird schon irgendeinen Sinn haben, oder?! Ich muss sagen, dass ich mit großem Genuss feststellte, dass sich mit steigender Kinderzahl das ganze Entertainment-Programm herunter reduzierte. 

Mein erster Griff in die Toilette war „Schwangeren-Yoga“ zum Ende der ersten Schwangerschaft. Also, im Gegensatz zu den euphorisch gestimmten, superfitten Supermuttis, die am Ende des 9. Monats noch problemlos den Berlin Marathon laufen und kurz nach der Geburt mit Zwillings- und Drillingskinderwagen losjoggen, war mein Zustand vergleichbar mit: gestrandeter Wal. Ich war ein Non-Free-Willy der sich sehr darüber gefreut hätte, wenn ihm im Bus einmal jemand den Platz angeboten hätte. HÄTTE....aber hey, okay wir sind hier in Deutschland, wer Kinder hat, ist selbst dran schuld, am besten lernt man es noch in der Schwangerschaft das sie ein gesellschaftlich anerkanntes reines Privatvergnügen und Luxusgut darstellen, von dem ausschließlich die Eltern, aber sonst niemand profitieren kann und sich Profit verspricht. *Muahaha*
Aber gut, auf busfahrende Wale trifft man auch in der freien Wildbahn selten einmal. Alternativ versucht man sich eben mit „Schwangeren-Yoga“ wieder halbwegs fit zu bekommen. Ich quälte mich also wie gesagt zum Wal-Yoga. Das Fazit das ich daraus zog: Es hat schon seinen Grund, warum wir bislang noch keinen Wal beim Yoga beobachten konnten.

Es folgten noch weitere Schwangerschaften: Diese bewahrten mich, durch die schon vorhandenen Kinder, vor weiteren Unsinn dieser Art. Zu weiteren Selbstversuchen war ich am Abend oft schlichtweg zu platt. Vorsichtsmaßnahmen wie „keine schweren Sachen heben“ wurden weiter eingehalten, 20 Kilo schwere KINDER und Wäschekörbe fallen ja nicht darunter. 

Louie, Kind Nr. 1, kam noch in den Genuss von „Baby-Schwimmen“, d.h. er wurde mit Mamas und Papas und anderen Kinder mit fröhlicher und teurer Rundumbespaßung pädagogisch wertvoll ans Wasser gewöhnt. Die weiteren Kind wurden von uns einfach ins Wasser geschmissen, wenn wir es denn  schafften, ins Schwimmbad oder zu einem Badesee zu fahren, was in etwa dem organisatorischen Aufwand eines mindestens dreiwöchigen Fuertaventura Urlaubs bei einem Single entspricht. Ohne Grund bauten wir während der Schwangerschaft von Kind vier nicht den L7,37m x B 3,60m x T 1,20m Pool im Garten, den ich selbst in all den Jahren aufgrund eines akuten Zeitmangels nur wenige Male genutzt habe, nachts um 2 Uhr mag auch ich nicht mehr schwimmen.

Es ist wahr, beim ersten Kind probiert man allen Kappes aus, die weiteren Kind dürfen sich dann freuen, dass den Eltern der ganze Unfug bereits ausgetrieben wurde. Als nächstes kommt das „Kinderturnen!“ Teilnehmendes Kind Louie konnte sich allerdings meist sehr beherrschen, Begleitzwerg Mary war stattdessen kaum zu bremsen, so dass das Ganze eigentlich eher in die Kategorie Mamasport „Kleinkindeinfangen“ einzuordnen ist und darum seine Berechtigung findet. Ich sauste, ich rannte, ich kletterte, ich trug, ich sang, ich spielte. Kinderturn-Kind Louie saß derweil auf der Turnbank und quittiert meinen Einsatz mit gehobenen Daumen und dem Satz "Du machst das wirklich schon ganz toll, Mama!" ....URGHS....

Das Ganze nahm dann zum Glück ein Ende, als ich zum dritten Mal schwanger war (Non-Yoga-Whale).
 

Dann war es wieder soweit. Nach guten drei Jahren Abstinenz knickte ich wieder ein. Alle guten Eltern sind sich einig: Kinder müssen schwimmen lernen. Gutes schwimmen lernen und können, hat etwas für sich.
Der Köder: Die einmalige Chance eines Kurses der immerhin 2 meiner Kinder abdeckte – ansonsten sind sämtliche Angebote altersmäßig derart filigran aufgefächert, dass es nicht möglich ist, zwei Kinder im Abstand von drei Jahren gleichzeitig irgendwo unterzubringen (oder gar ein drittes - Drittkinder sind im deutschen System sowieso nie vorgesehen, daher vergessen wir das also einmal ganz schnell und begnügen uns mit dem Jackpot.)

Meinen beiden Wasser-begeisterten Kindern verkündete ich daher sehr stolz: „Ich habe Euch zum Schwimmkurs angemeldet!“ Kind 1 maulte sofort und erklärte kategorisch, dass er für derartige Angebote nicht offen sei und strikt ablehne. Kind 2 war freundlicherweise total euphorisch, während das unbetroffene Kind 3 einen frenetischen Jubeltanz anstimmte. Ich erklärte Kind 1, dass er dort hinmüsse, komme, was da wolle. BRODEL - BRODEL  "Sei doch froh, dass Du da hindarfst!!! Jedes andere Kind an Deiner Stelle wäre froh!"BRODEL - BRODEL

Ich fühlte mich auf der Stelle um mindestens zwei Jahrzehnte jünger, als ich erfuhr, dass beim Kurs „Badekappen“ strengste Pflicht seien. BADEKAPPEN!!! Das Wort gehörte dato schon lange nicht mehr zu meinem aktiven Wortschatz! Wo sollte ich solche Fossilien nur herbekommen? Museum??? Tagesexkursion zu einem exotischen Fachgeschäft für Extremsportler? Deutsche Olympiamannchaft??? Oh Mann, zum Glück gab es aber Ebay! Die Zeit wurde knapp, der Händler hatte Lieferprobleme - ich rang panisch die Hände. Aber zum Glück kamen sie dann doch noch rechtzeitig bei uns ein. HURRA - zwei Stunden vor Beginn des Kurses. Kind 1 erklärte sofort "Die setze ich nicht auf! Das sieht schwul aus!" Kind 2 war unterdessen nur schwer davon zu überzeugen, sie erst im Schwimmbad aufzusetzen. Ich ließ sie also - es hatte mich schon all meine Überzeugungskraft gekostet, sich erst im Schwimmbad ihrer Kleidung zu entledigen.
Nach dem ersten Mal Schwimmen hatte sich die Ausgangslage umgekehrt:
Der zuvor sehr maulige Sohn  war total euphorisch, die zuvor euphorische Tochter dagegen total panisch/ängstlich/entsetzt/....ach, keine Ahnung, wie es nennen soll....sie weigerte sich schlicht.
Das hochmotivierte Teilnehmerkind 3 musste brüsk in die Schranken gewiesen werden, bitte noch zwei Jahre auf der Bank sitzen! Ich musste ihm die Badekappe von Kind 1 aus seinem eisernen Griff zwingen. Letztendlich mit eisernem Griff auf dem Arm halten, um keinen Rettungseinsatz der anwesenden DLRG Mitglieder auszulösen.

Ich meine, schön, dass mein sonst – wahrscheinlich wegen der frühen Kinderversuche mit ihm – von Kursen eher abgeneigtes Kind  1 endlich den besten Kurs seines bisherigen Lebens gefunden hatte! Ich dagegenverfeinerte die Kunst des „mit Engelszungen Redens“ bezüglich Kind  2. Mir wuchsen fast Toffifees aus den Ohren!

Der Schwimmkurs war zum Glück bald darauf vorbei, doch das nächste Unheil drohte bereits am Horizont: Die Tochter, Kind 2 wollte in den Fußballverein, was der Sohn also das Kind 1 strikt ablehnte und komplett boykottierte. OH HILFE!!!

Montag, 1. Februar 2016

Küss den Frosch - eine Rülpsstudie in grün

Das 6. Rülpsprojekt
Timmy hatte eine Zeit eine relativ nervtötende Angewohnheit aus dem Kindergarten mitgebracht (von uns hat er das definitiv nicht!): er hatte gelernt, ständig zu rülpsen. In Salven oder mit Abstand, laut und leise, je nach Wunsch und Situation. Also, man sagte etwas zu ihm: Timmy rülpste zur Antwort. Die Schwester benahm sich nicht devot genug: Timmy rülpste ihr direkt ins Gesicht. Bruder fällt über ihn her: Timmy rülpste in Dino-Lautstärke. Herummeckern hatte natürlich null Effekt, so weit war ich schon in meinem Erkenntnisprozess, pro forma probierte ich es trotzdem – aber wie gesagt…. Ignorieren wäre vermutlich der pädagogisch empfohlene Weg, aber ich empfand das so eklig und hatte einfach keinen Bock, vier Wochen lang die "Tüdü-lü-hier-rülpst-ja-keiner-Tour" zu fahren. Also entschied ich mich dieses Mal für einen anderen Weg:
„Timmy wusstest Du eigentlich schon, dass sich Kinder, die dauernd rülpsen, in Frösche verwandeln?“ (Wie kam ich nur auf diese hirnverbrannte Idee? Ehrlich? Keine Ahnung!) „Sie werden dann ganz grün und bekommen ganz kalte und schleimige Beine und können dann nur noch hüpfen. Dann müssen ihre Eltern sie an den Teich bringen, weil sie sonst austrocknen und sterben. In Karls Teich sind ganz viele Frösche, Timmy, hast Du die gesehen?“ Mit größter Genugtuung registrierte ich, wie Timmys Gesicht leicht die Farbe wechselte. „Das sind alles Kinder, die zu viel gerülpst haben!“ (Leute, was sollte ich denn machen? Zulassen das ihn andere ausschimpfen?). Interessant, interessant und das bei Timmy der normalerweise recht abgebrüht und nicht so leicht ins Bockshorn zu jagen ist, aber das saß anscheinend.
Sein Rülpsprojekt war jedenfalls für 24 Stunden unterbrochen.
Nächster Tag: RÜLPS. RÜLPS. RÜLPS. Wir wissen ja jetzt: Das sieht wirklich nicht gut aus für den armen Timmy! Ich schaute ihn mir mal genauer an.

"Oh mein Gott, sind das da etwa Saugnäpfe an Deinen Händen? Zeig mal her!" rief ich und griff nach seiner Hand. Intensiv betrachtete ich seine Hände, unsere Köpfe stoßen fast aneinander, denn es hat logischerweise auch sein Interesse entfacht "Echt? Nee, oder Mama? Zeig mal!" Ich konnte Entwarnung geben.
"Nein, es sah zum Glück nur so aus, sie sind nur dreckig!" Prüfend schaute ich ihn dann von oben bis unten an und fasse mir theatralisch ans Herz."Ach Du meine Güte was ist das denn? Deine Beine sind ja auch schon ganz grün! Oh nein, vom Po bis ganz nach unten zu den Schuhen!" Timmys Augen weiten sich ein klein wenig mehr, registrierte dann aber mit Erleichterung: „Mama, du brauchst keine Angst haben - das Grüne ist doch nur meine Hose.“
Mann, da haben wir ja echt noch einmal Glück gehabt. Timmy seufzt erleichtert und beruhigt auf. HÄ! HÄ! HÄ!  Wieder 24 Stunden gewonnen…

Nächster Tag: Timmy rülpst. Ich erwähne lediglich das kleine Wörtchen "Frosch". Anders als erwartet  hatte Timmy plötzlich Tränen in den Augen und fragte: „Stimmt das echt?" Ich muss jetzt selbst fast weinen. Oh Mann. MIST. Der Junge hat mir geglaubt - das macht normalerweise keines meiner Kinder. Das ging ja jetzt wirklich voll in die Hose. Ich fürchtete ich müsste  auf der Stelle das System massiv runterfahren (vielleicht sollte ich in Zukunft einfach nur wieder sinnlos herum motzen?). Welcher Teufel hatte mich da nur geritten? Und das beim SECHSTEN (!!!) Kind....ich hätte es wirklich besser wissen können - nein - MÜSSEN

„Sind die Frösche im Teich wirklich alles KINDER?“, fragt er mit von Tränen nassen Augen. Seufz. Was ist da nur in mich gefahren? Der Schuss ging ja echt wieder einmal nach hinten los. „Und wenn ich dann ein Frosch bin – was DANN? Was machen wir beide denn DANN, Mama?! Kann ich dann nicht mehr bei Dir sein, Mama?! In einem Glas oder so?! Muss ich dann echt in den Teich?! Kann ich dann NIE NIEEEE NIEEEEEEEEEEEEMALS WIEDER zurück?“ HEUL. "Wer kuschelt denn dann mit mir?! Oder pustet wenn ich mir wehgetan habe?!" HEUL "Ich will aber bei dir bleiben!" HEUL. WELT BRICHT ZUSAMMEN. HEUL


„Äh…also.... das ist bestimmt auch nur so eine Geschichte die Eltern so ihren Kindern erzählen, wie beim Spucken zum Lama werden und so. Ich glaube aber, das stimmt alles gar nicht und man sagt das einfach nur so. Ganz bestimmt nicht. Mary ist ja auch kein Lama geworden!“ HEUL. HEUL. HEUL. Was habe ich da  nur getan? Ich dachte irgendwie, ich aktiviere einfach einmal ein wenig seine Fantasie … aber ich wusste doch nicht, dass er eine solch ausgeprägte Fantasie besitzt! Es wäre in dem Moment echt schön gewesen, wenn er ein klein wenig gerülpst hätte, gepaart mit seinem typischen "Ätsch - reingelegt, ich habe das gar nicht geglaubt!" HA. HA. "Ich wusste das du lügst" HA. HA.Meine Gedanken rasen, nicht nur meine Kinder sind mit einer  sehrreichen Fantasie gesegnet sondern auch ICH! Schon geht auch die gleiche hyperaktiv mit mir durch.

Oh Gott, mein Kind wird später ein traumatisierter und verhaltensgestörter Erwachsener sein, der am Leben scheitern wird.....und es ist alles nur und zwar NUR meine Schuld. Eines Tages wird er wahrscheinlich wegen eines Bombenanschlages vor Gericht schuldig gesprochen. Ich kann schon die Schlagzeilen lesen, man wird mitfühlend über ihn schreiben
"Der Täter ist selbst einfach nur ein Opfer seines Elternhauses und besonders der grausamen Erziehung seiner Mutter. Hätte seine Mutter ihm damals, als er noch keine 4 Jahre jung war, nicht gesagt, das er zum Frosch würde, dann wäre es niemals zu 2089 Toten und 5786 Verletzten gekommen. Er hätte das Restaurant dann niemals mittels 1000 kg Plastiksprengstoff und Fernzünder hochgehen lassen. Er hat seiner Mutter damals geglaubt, dass rülpsende Kinder sich in Frösche verwandeln. Das Restaurant hatte Froschschenkel auf der Speisekarte stehen, er sah sich zum Handeln gezwungen, wie er selbst sagte, für den Fall das es weniger gute Eltern gegeben habe, die ihre Kinder anders als seine Mutter, nicht gewarnt hätten."

Seine Geschichte wird dann Gegenstand zahlreicher psychologischer, soziologischer und sozialwissenschaftlicher, ....usw...usf.... Doktorarbeiten mit Titeln wie "Wohin elterliche Grausamkeit führen kann" "Ursachen kindlicher Traumata" "Der Zusammenhang von elterliche Grausamkeit und Terroranschläge" und geben Anlass für zahlreiche Langzeitstudien.
SCHLUCK - PANIKMODUS AN - SCHREI - und das alles nur weil mein Kind wie Captain Jack Sparrow und die Mannschaft der Black Pearl gemeinsa gerülpst hat, wie wahrscheinlich noch Millionen anderer Kinder - gerade - just in diesem Moment. War es denn wirklich so schlimm?! Ach was - Bäuerchen hat er lediglich  gemacht.  Freut sich nicht jede Mutter eines Neugeborenen mit starken Blähungen nahezu ekstatisch wenn sie diesen Ton hört?  Bedeutet es doch das diese Luft das Kind nicht endlos quälen wird und kein nie enden wollendes Schreien in der Nacht auslösen kann, bis die Luft dem Körper endlich entwichen ist. Gerülpst hatte er, wie es weltweit Kinder im Kindergartenalter taten und Milliarden Kinder vor ihnen bereits getan hatten? *GRÜBEL*
War es bei mir als Kind denn anderes gewesen? Hatte ich nicht damals auch meine Umwelt mit Rülpsattacken tyrannisiert? Hatten meine Freunde und ich im gleichen Alter und später im Alter von 10-12 nochmals unsere Umwelt terrorisiert....unseren Eltern und Lehrern wie auch alle anderen Erwachsenen die Haare zu Berge stehen lassen und sie zu nicht enden wollenden Vorhaltungen und lautstarken Schimpfkanonaden angeregt?! War damals nicht derjenige am coolsten gewesen, der am lautesten und längsten rülpsen konnte, zu dem alle aufsahen?! Warum sollte es da heute also anders sein? Wollte ich meinem Kind wirklich diese Anerkennung seiner Peergroup nehmen sondern ihn stattdessen verstören und zu einen traumatisierten und verhaltensgestörten Erwachsenen heranziehen, der sein ganzes Leben therapeutische Hilfe angewiesen sein würde?! Hatten nicht auch seine fünf älteren Geschwister selbiges getan mit Ausnahme eines Kindes?! Jungs wie Mädchen?! War sagte denn das es nicht ebenso wie die Matschphase eine "normale" Entwicklungsphase wäre?! Auch diese Phase gehörte wahrscheinlich zum Weg erwachsen zu werden dazu, warum sollten es sonst so viele Kinder tun - von Generation zu Generation  seit Anbeginn der Zeit?! Gehörte das nicht auch zum Grenzen testen und ausloten der gesellschaftlichen Benimmregeln dazu?!
Ebenso wie noch vieles  andere, was uns Erwachsene nicht gefallen muss, wir aber auch nicht immer verhindern können oder gar dürfen. Unsere Handhabe ist letztlich doch sehr begrenzt, außer darauf hinweisen dass es uns nicht gefällt und das es uns stört, bestimmen wo wir es auf gar keinen Fall dulden, erklären das es einfach nicht schön sondern ekelig für andere ist. Aber unsere Einflußnahme ist auch nur begrenzt möglich, denn wir sind nicht in der Lage sie permanent zu kontrollieren, neben ihnen zu stehen und sie davon abzuhalten. Die Erfahrung machen wie ihre Umwelt darauf reagiert und wie sie auf diese mit bestimmten Verhaltensweisen einwirken, müssen sie wohl oder übel selbst machen, diese können und dürfen wir ihnen nicht nehmen oder vorenthalten, zum Leben gehören  die gemachten positiven wie auch die negativen Erfahrungen. Schließlich bilden auch negative Erfahrungen einen nicht unerheblichen Teil der jeweiligen Persönlichkeit. Wenn man niemals fällt - weiß man ja überhaupt nicht - wieso man vorsichtiger sein sollte. Erst durch den Schmerz wissen wir weshalb.
Was hatte ich da nur getan?
HEUL.HEUL.HEUL...."Ich kann ja noch nicht einmal schwimmen!" SCHNIEF. SCHNIEF. "Und ich weiß ja gar nicht wie ich mit meiner Zunge Mücken fangen soll!" HEUL.HEUL. "Ich werde verhungern und ertrinken!" SCHNIEF. SCHNIEF.
"Und werde ich sterben weil mich ein Storch auffrißt!" HEUL. HEUL. "MAAAAA-MAAAAA! Ich will kein Frosch werden! Ich will für immer dein Timmy bleiben und IMMER UND EWIG bei dir wohnen!" DRAMA - BABY - DRAMA

Meine Lieben, falls sich jetzt auch Eure Augen mit Tränchen füllen: Ihr wisst doch hoffentlich, wie die Geschichte weiterging?!

Nächster Tag: RÜLPS. RÜLPS.RÜLPS....RÜÜÜÜ-ÜLLLLLL-PPPPPPP-PSSSS. Nur vielleicht ein kleines bisschen leiser als zuvor. Für den Fall der Fälle wahrscheinlich, falls an der Froschgeschichte doch etwas dran wäre. Ungefähr zwei Wochen später war glücklicherweise diese Phase ausgestanden...... QUAAAAAAAK!