Das man bei uns hier in Ostfriesland zum Frühstück drei Tassen Tee und ein Stück Torf zu sich nimmt oder dass ein ostfriesischer Vierkampf hier aus Teebeutelweitwurf, Lesen, Schreiben und Rechnen besteht sind selbstverständlich nur Witze die man nur zu gerne über uns Ostfriesen macht.
Es gibt aber auch andere Geschichten, etwa die, das wir die Parole der französichen Revolution auf Anhieb begriffen haben: 'Liberté'. Kein Witz, denn 'lieber Tee' wollen wir immer, er bedeutet uns mehr, als man ausserhalb der Grenzen auch nur erahnen mag .
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Der Leeraner Hafen |
Wir halten an unserer Teetradition fest - selbst die Kleinsten wissen schon wie man richtig Tee trinkt. Bei uns Ostfriesen ist das Teetrinken nicht nur eine tägliche Zeremonie, es ist auch Ausdruck unserer Gastfreundschaft und dient uns zur Findung von Ruhe und Erholung.
Um Punkt 15:00 Uhr heißt es hier: 'Is Teetied' (Es ist Teezeit). Wobei ich hier anmerken muss: Zum Frühstück, am Vormittag und zum Abendessen trinken wir ihn auch.
Niemals im Leben würde ein echter Ostfriese die Teesorte wechseln: Was in England als Assam Tea in die Tasse kommt, lieben wir in Ostfriesland als kräftige Broken-Mischung und die genießt man immer mit süßen Kluntjes und einem Tropfen Sahne. Auf gar keinen Fall nimmt man hier Teemischungen wie Earlgrey oder Rooiboos Tee - das geht gar nicht. Das wäre dann alles - aber nur eben nicht mehr ostfriesisch. Fertig abgepackter Tee im Filterbeutel für die Tasse - ist auch verpönnt. Außerdem schmeckt der auch nicht wirklich wie der echte ostfriesische Tee.
Als Zutaten für die Teezeremonie nimmt man echten Ostfriesentee (bevorzugt wird die lose Brokenmischung), weißen Kluntje (Kandiszucker) und eine spezielle Tee-Sahne, mit mindestens 36% Fett (die normale Schlagsahne reicht auch!). Außerdem benötigt man logischerweise auch kochendes Wasser und eine Teekanne, die möglichst bauchig sein sollte, mit einem flachen Boden und einem eingebauten Sieb vor der Tülle.

Hat man keine Teekanne mit eingebautem Sieb zur Verfügung, nimmt man ein Kippsieb oder einen Teebesen (Tüllensieb), den man dann vorne in die Tülle steckt. Wichtig ist: Man nimmt immer dieselbe Kanne und verwendet sie immer nur für den Tee. Und sie sollte aus Metall sein und nicht aus Porzellan oder so. Also eben ein richtiger ostfriesischer 'Trekpott' (Teekanne zum ziehen). Der aus Porzellan wird schnell unansehlich und der Tee schmeckt aus ihm auch nicht so gut. Die Kanne sollte nur von außen mit Reinigern gesäubert werden - von innen spült man sie nur mit Wasser aus. Damit eine schöne Tee-Patina entsteht. Auch ein Grund mit warum Porzellan einfach nicht geeignet ist. Sieht nur hübsch auf dem Tisch aus. Und auf gar keinen Fall darf man vergessen: Die Kanne vorher mit kochendem Wasser ausspülen - erst dann den Tee reingeben! Die Kanne muss warm sein!!!!

Alle Zutaten sind jetzt da? Dann können wir mit der Zeremonie anfangen: Man nimmt ca. 3 Löffel Tee und gibt diesen in den 'Trekpott' (Teekanne). Er wird mit nur soviel kochendem Wasser übergossen, dass die Blätter gerade darin schwimmen. Die Teekanne wird 'up Stoov' (auf das Teestövchen) gestellt und der Tee muß nun erst einmal ziehen. Drei Minuten ziehen lassen, wenn es belebend, fünf Minuten, wenn es beruhigend wirken soll. Danach wird die Kanne bis zum Rand mit kochendem Wasser aufgefüllt.
Wenn es sich um große Kluntjes handelt nimmt man vorher den 'Kluntje-Knieper' (Kandis Kneifer/Zerteiler) und zerkleinert sie. Sind die Kluntjes schon klein gibt man sie direkt in den 'Kluntje Pott' (Kandis Dose/Topf)

Zuerst kommt ein Kluntje in 'de Koppke' (die Tasse). Dann wird der heiße Tee aufgegossen. Als Krönung wird noch mit Sahne ein 'Wulkje' (Wölkchen) dazugegeben. Umgerührt wird der echte Ostfriesentee ursprünglich nicht. Man trinkt von der weichen Sahne über den herben Tee bis zum süßen Kluntje. Aber - einen Löffel gibt es dazu und ich rühre meinen Tee immer. Ich mag es nicht wenn er bitter schmeckt. Man geniesst ihn in kleinen Schlucken - und immer aus feinem Porzellan bevorzugt wird die Ostfriesenrose oder friesisch blau. Da dieses Geschirr aber so teuer ist - heben wir es für besondere Anläße auf. Ich selber besitze es z. B. gar nicht.

Wenn die Teekanne halb leer ist - wird bei Bedarf nochmals heisses Wasser nachgegossen.
Zu jeder Teepause gehören min. 3 Tassen Tee. Wie wir Ostfriesen sagen: 'Dree is Ostfreesenrecht - man veer is ook need schlecht!' (Drei ist Ostfriesenrecht - aber vier ist auch nicht schlecht!)
Unserem Tee sind wir Ostfriesen verfallen. Vier Teepausen gehörten zur normalen Tageseinteilung bei uns. Dass mehr und mehr Betriebe, wegen kürzerer Arbeitszeiten als früher, dazu übergegangen sind, Kaffee zu kochen, was schneller geht, finden wir Ostfriesen 'schon total daneben'. An die sieben Pfund Tee werden hier im Jahr und pro Kopf verzehrt! Im Vergleich dazu liegt der Bundesdurchschnitt bei nur 220 Gramm pro Kopf.
Aus Assam- und Javatees von höchster Qualität besteht üblicherweise die echte ostfriesische Teemischung. Sie zeichnet sich durch ihren typischen aromatisch-kräftigen Geschmack aus. Die ostfriesische Brokenmischung gibt, schnell alle Inhaltstoffe frei und entfaltet somit nach kurzem Ziehen ihr volles Aroma. Man nennt sie Brokenmischung wegen ihrer gebrochenen Blätter. Es leitet sich vom ostfriesischen'broken' also 'gebrochen ab'. Vielleicht aber auch aus dem englischen 'broken' das ebenfalls gebrochen heisst.
Das ein Ostfriese, wenn er denn alt genug wird, in seinem Leben gut und gern 300.000 'Koppkes' (Tassen) trinkt, hat den Tee im Laufe der Zeit sogar schon zum Politikum gemacht. Zu Kriegsbeginn 1939 wurden im Zuge der Rationierungen Tee und Kaffee als entbehrliche Genußmittel eingestuft. Sie wurden nur als 'einmalige Sonderzuteilungen' ausgegeben. Da hielten es sogar die Nazis für angebracht, in einem behördlich festgelegten 'Ostfriesischen Teetrinkerbezirk' eine 'Teekarte' für extra Teerationen einzuführen, die ein 'Oldenburger Teeverteilungsschlüssel' festsetzte. Für die vier Teezeiten am Tag aber reichte es uns aber bei Weitem nicht, so dass wir Ostfriesen in unserer Not zusätzlich zu synthetischen Teetabletten, 'Austauschgetränken' wie 'Holunder' und sogar zu Brombeer- und Erdbeerblättern sowie Kamille griffen. Nach Kriegsende kamen dann endlich die Hamsterer vom Rhein und der Ruhr mit Tee zum Tausch gegen ostfriesische Butter. Denn: In der Not schmeckt die Wurst auch ohne Butter auf dem Brot. Aber niemals ohne Tee.

Das ausgerechnet Tee zum regelrechten Mittelpunkt unseres Daseins wurde, ist auf die traditionell engen Bindungen zu Amsterdam zurückzuführen. Dort hatten Überseefahrer das neumodische Genussmittel vor drei Jahrhunderten erstmals herangeschifft. Mitschuldig ist natürlich auch die 'Königlich-Preussische Asiatische Compagnie in Emden', die sich 1751 im Beisein des Alten Fritzen etabliert hatte. Schon von der ersten Fahrt brachte das Kompagnie-Schiff 'König von Preussen' 546.676 Pfund Tee aus China nach Ostfriesland mit.
Bald war Tee so tief in unserer Natur verwurzelt, dass diese Natur nur noch durch die Kraft des Schöpfers allein hätte umgekehrt werden können, wenn wir diesem Getränk auf einmal hätten Lebewohl sagen sollen. Dabei ist es geblieben. Wir Ostfriesen bauten unsere Teerituale immer weiter und komplizierter aus - ja wir perfektionierten sie nahezu. So dürfen Fremde nicht vergessen - am Ende also nach drei Tassen oder wenn man nicht mehr mag - den Löffel in die Tasse zu legen. Denn sonst wird pausenlos weiter nachgeschenkt, und deshalb musste schon mal jemand, wie man sich erzählt, fünfzig Tassen besten ostfriesischen Tee trinken.
In unseren Gedanken ist fest verwurzelt:
'Wenn wij keen Tee hebben, muten wij starben!'
'Wenn wir keinen Tee haben, müssen wir sterben!'

EALA FRYA FRESENA = AUF IHR FREIEN FRIESEN
und darauf wird normalerweise mit einem:
LEVER DOOD AS SLAAV = LIEBER TOT ALS SKLAVE
geantwortet!!!
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