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Freitag, 6. Januar 2012

Alles (Ein)Bildung oder was?


Ich muß mir jetzt erst einmal Luft machen:

Das deutsche Bildungssystem ist zu einer so großen Baustelle geworden, dass die Regierung den Spaten nicht einmal mehr in die Hand nehmen will.
Ich bin mir sicher, irgendwo in Berlin muss es ein Schwarzes Loch geben. Ich meine das Loch, in dem unbemerkt und unkommentiert all die Nachrichten verschwinden, die das deutsche Bildungssystem derzeit produziert. Immer wieder hört man Meldung im Radio, dass der Bologna-Beschluss in Deutschland nur sehr schlecht umgesetzt wurde, die Studenten protestieren gerade in zahlreichen Städten gegen überfüllte Universitäten, fehlende Qualität der Lehre und die Schrumpfversion des Studiums, die man Bachelor of Arts nennt. Aber man muss nicht einmal die Universitäten betrachten, um sich aufzuregen, das Schulsystem reicht ja schon.
Deutschland ist ein Land der Kleinstaaterei wie noch im 17. Jahrhundert, wenn man sich auf die Schulbank setzt. Wer während seiner Schulzeit umzieht, darf sich freuen. Im Süden hängen Kruzifixe, im Norden nicht. Im Osten hat man 12 Jahre bis zum Abi und findet das normal, im Westen bekommt man sie als Wundermittel verschrieben und leidet unter den Nebenwirkungen. Niemand wundert sich mehr, wenn eine Baden-Württembergerin im Gespräch mit einem Hessen ihre Abinote in eine entsprechende hessische Note umrechnet, denn eine 3 im Süden gilt schon fast als 2 + im Lande Roland Kochs. Manche Länder haben Schulfächer wie Glück, Astronomie oder Ernährung, in anderen müssen sich Kunst und Musik im Halbjahresrhythmus abwechseln, und Lehrer gibt es dank Schweinezyklus in bedrohlichen Massen oder gar nicht.

Länderübergreifend sind jedoch die Hiobsbotschaften, die in regelmäßigen Abständen durch die Nachrichtenticker laufen. Deutsche Uniabsolventen sind unter den Ältesten in ganz Europa. Deutsche Schulkinder sind besonders stark durch ihre Herkunft und das Einkommen ihrer Eltern eingeschränkt, nur ein Bruchteil der Arbeiterkinder und Migranten macht Abitur. Deutsche Schüler sind schlecht im PISA-Test, können kein Obst und keine Tiere mehr identifizieren und lesen nicht mehr, denn sie hängen nur noch vor der Playstation. Deutsche Lehrer machen Schlagzeilen mit Aussagen wie "Chantalle, Kevin und Jaqueline sind keine Namen, sondern Diagnosen" und stempeln damit einem ahnungslosen Kind seine Laufbahn schon in der vierten Klasse auf die Stirn, indem sie es auf die Realschule schicken, obwohl Theresa Marie mit den gleichen Noten aufs Gymnasium darf. Aber ihre Eltern sind ja auch immer so engagiert bei den Elternabenden, und überhaupt - breeding shows.

Das Gymnasium ist die Rettung des Bildungsbürgertums in solchen Zeiten, am allerbesten ist es natürlich ein Privates. Die Gesamtschule dagegen scheint ein Auslaufmodell zu sein und wird nach und nach durch die Gemeinschaftsschulen verdrängt, auf denen alles landet, was nicht gut genug fürs Gymnasium ist. Eltern heutzutage scheinen zu Extremen zu neigen - entweder ist ihnen die Zukunft ihres Kindes egal, oder sie tun alles dafür, sich in ihrem Kind zu verwirklichen, Frühchinesisch und Ballett inklusive. Blöd nur, wenn sie selber nicht auf dem Gymnasium waren und noch dazu kein nennenswertes Geld verdienen. Dann geht ihr Kind eben auch mit noch so guten Noten eher auf die Realschule und wird später mal einen handfesten Beruf ergreifen, um wenigstens ein sicheres Einkommen zu haben. Sinologie oder Politikwissenschaften studiert dann eben statt dessen Theresa Marie, denn sie ist im Bildungssystem auf der guten Startbahn gelandet und kann zur Not auch mit Dreißig, nach sieben unbezahlten Praktika wieder bei den Eltern einziehen. Vermutlich hat sie Kevin, Chantalle und Jaqueline auch gar nicht mehr in Erinnerung, denn ihre Eltern sorgen dafür, dass sie mit den richtigen Menschen Umgang hat. Das Proletariat und die Migrantenkinder sammeln sich dann eben auf den sogenannten Restschulen.

Angesichts all dieser Missstände könnte man sich eine gewählte und erneut gewähltwerden willige Regierung vorstellen, die die Ärmel hochkrempelt und etwas tut. Klar, das Schulsystem ist (leider) Ländersache, aber kann es denn wirklich sein, dass die Schwarzgelben großspurig deutlich mehr Geld für die Bildung versprechen und dann lediglich die Begabtenstipendien aufstocken? Wer ein Stipendium bekommt, ist in den allermeisten Fällen Student oder Doktorand und hat es somit schon durch das Dreiklassensystem geschafft. Haben wir nicht letztens in einer Studie gelesen, dass Stipendien vor allem Kindern von Akademikern und Gut- bzw. Besserverdienern zugute kommen, also denen, die sie nicht (wirklich) brauchen, die durch gute Startvoraussetzungen ganz von selbst durch Abitur und Studium schweben? Genau, haben wir. Nur die Damen und Herren Schwarzgelb scheinen die Zeitung nicht in der Hand gehabt zu haben. Aber es wird ja auch schließlich immer weniger gelesen, außer vielleicht unter Akademikerkindern.
Oder die CDU in Niedersachsen noch im Wahlkampf 2007/2008 groß tönten sich deutlich und verstärkt für die Bildung einsetzen wollten und sich dieses Ziel scheinbar dick und fett auf die Weste schrieben. Und was war die erste Amtshandlung der Herren und Damen Wulff, Heister-Neumann und Möllring? Die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit und darüber nachdenken Busfahrkarten zu weiterführenden Schulen (Gymnasien)abzuschaffen (außer für Kinder von Arbeitslosen und HartzIV Empfängern) um mit den ersparten Geldern den Haushalt zu konsolidieren!!!
Muß das alles wirklich sein? Sollte man es wirklich zulassen und einfach zusehen wie dieser Staat in puncto Bildung immer weiter zurückfällt und das nur weil am wichtigsten "den Kindern" also an"der Zukunft" gespart wird? Sollten wir es wirklich den Ländern überlassen wer wann etwas lernt oder sollte es nicht doch lieber von Berlin aus gesteuert werden? Bildung sollte Sache des Bundes und nicht der Länder sein. Gleiche Standards, Richtlinien, Lehrinhalte, Kompetenz und soziale Gleichstellung (Lehrmittelfreiheit) in allen 16 Bundesländern. Wir sind ein Staat und kein Vielvölkerstaat wie das ehemalige Jugoslawien, die Sowjetunion, Tschecheslowakei... So wie es jetzt ist und läuft, wo jedes Bundesland mehr oder weniger seine eigene Suppe kocht und kochen kann und noch nicht einmal innerhalb eines Landkreises gleicheRichtlinien gelten,können wir auch gleich die Bundesrepublik auflösen und zum Deutschen Bund (bis 1866) zurückkehren oder vielleicht zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (bis 1806).Vielleicht sollten wir dann auch gleich wieder die Kinderarbeit einführen und die Schulpflicht für sog. "Arbeiterkinder" auf 5 Jahre runtersetzen. Lesen, schreiben und die wichtigsten Rechenformeln hat man bis dahin gelernt, um durchs Leben kommen zu können.

Wie immer gilt der Wahlspruch der Ostfriesen:
Eala freya fresena - Lever doot as slaav!
Auf ihr freien Friesen - Lieber tot als Sklave

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